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Marianne & David (German Edition)

Marianne & David (German Edition)

Titel: Marianne & David (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reimund J. Dierichs
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sie um Rat.
    Plötzlich ergriff Patrick Davids Hände, drückte sie ganz fest und forderte ihn auf, von sich zu erzählen. Er wunderte sich, wie einfach es für ihn war, dieser Aufforderung nachzukommen.
    Er erzählte von seiner Kindheit, von dem kleinen Haus am Stadtrand von Sheffield, umgeben von Zechen und Hochöfen, in dem es im Winter eiskalt war, weil die Türen und Fensterrahmen nicht richtig schlossen und der Wind durch die Ritzen pfiff. Er erzählte von seinem Vater, der sein kümmerliches Dasein nur mit einem hochprozentigen Gefährten aus der Flasche ertragen konnte und mit fünfundfünzig an Steinstaub gestorben war. Und er vergaß auch nicht seine Angst und die seiner drei kleineren Geschwister vor dem Vater zu erwähnen, wenn er wieder einmal besoffen nach Hause kam und sie dann mit dem Ledergurt verprügelte. Er schilderte die Hilflosigkeit seiner Mutter, die weder der Trunksucht ihres Ehemannes gewachsen war noch mit der finanziellen Situation umgehen konnte, die ihnen oft ein leeres Portemonnaie und dünne Suppen bescherte. Davids Wunsch, dieses Heim so schnell wie möglich zu verlassen, war deshalb nur allzu verständlich.
    David erzählte alles. Zum ersten Mal vertraute er sich einem Menschen an, erzählte auch, dass es Schwierigkeiten in der Ehe gab und er vor zwei Jahren angefangen hatte, Männer attraktiv zu finden.
    Patrick wollte wissen, ob er glaube, dass diese beiden Ereignisse in unmittelbarem Zusammenhang stünden, und David antwortete, nachdem er sich reichlich Zeit genommen hatte, darüber nachzudenken, dass dies nur indirekt der Fall sei. Vielmehr sei er davon überzeugt, dass das, was er sich lange Zeit nicht eingestehen wollte, durch die Probleme mit Marianne nur umso schneller an die Oberfläche gekommen sei.
    „Ich mag dich“ , sage Patrick nach einer Weile, wobei er David direkt in die Augen schaute.
    „Ich mag dich auch“ , war die Antwort, leise und in die Dunkelheit hineingesprochen, damit keiner von ihr Notiz nehmen konnte. Aber Patrick hatte sehr wohl zugehört, und bevor weitere Worte fielen, lagen sich die beiden Männer in den Armen. David hatte nie zuvor einen Mann geküsst, aber als er Patricks Lippen auf den seinen spürte, kam ihm dieses seltsam vertraut vor. Er hielt das Gesicht des anderen und streichelte ihm sanft über die Wangen.
    „ Du hast ein überaus erotisches Grübchen“, sagte er, bevor er Patrick mit Küssen übersäte.
    „ Und du bist zum Anknabbern“, entgegnete dieser. Dann begann er damit, Davids Körper zu streicheln. „Komm, las uns hineingehen. Dort ist es gemütlicher.“
    Wenig später lagen sie auf dem breiten Bett. Im Zimmer brannte kein Licht. Nur eine Straßenlaterne warf ihren schwachen Schein durchs Fenster. Aber sie wollten ohnehin nichts sehen. Sie wollten auch nicht mehr reden. Es ging darum zu spüren. Noch immer angezogen, hatten sie ihre Körper eng aneinandergeschmiegt. Jeder konnte die Erektion des anderen fühlen. Wenn sie jetzt weitermachten, würden sie in einen Taumel geraten, die Zeit und alle Mariannes und Evelyns vergessen und erst in Stunden wieder auf die Erde zurück-kommen.
    Im Nachhinein vermochte keiner von beiden mehr genau zu sagen, wer zum Aufbruch drängte. War es David, von Schuldgefühlen getrieben oder aus Angst davor, seine Frau könnte vor ihm ins Hotel zurückkehren? Oder vielleicht doch Patrick, der mehr wollte als eine einmalige Begegnung und dem die Aussichtslosigkeit dieser Unternehmung bewusst wurde? Woran sie sich noch erinnern konnten, war die Tatsache, dass sie gemeinsam auf die aberwitzige Idee kamen, den beiden Frauen auf dem Hügel einen Besuch abzustatten.
    Sie sprachen wenig auf ihrem Gang durch die Stadt. Den Lärm der Bars und Diskotheken und das laute Lachen der Touristen, von denen die meisten schon zuviel getrunken hatten, nahmen sie kaum wahr. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Erst als sie fast am Hotel angekommen waren, bat David, Patrick möge doch einen Moment warten. Er erzählte ihm nicht, was er vorhatte, und auch nach seiner Rückkehr sagte er kein Wort. Erst als sie die Treppe nach oben stiegen, beratschlagten sie, welche plausible Erklärung sie für ihr gemeinsames Auf-tauchen hätten.
    Je weiter sie nach oben kamen, um so deutlicher rückten die angestrahlten Reste der venezianischen Festung in ihr Blickfeld, was sie auf den Einfall brachte, höher als nötig zu steigen, um sich von hier oben Parga bei Nacht anzusehen. Sie wirkten fast wie ein Liebespaar,

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