Marianne & David (German Edition)
Archäologie.“
Während er erzählte, bewegten sie sich durch ein Labyrinth aus Gassen und Treppen, bis David völlig die Orientierung verloren hatte. In weiter Ferne sah er kleine, leuchtende Punkte: Fischer, die ihre Netze auswarfen, wie er vermutete.
Nach einer Viertelstunde erreichten sie ihr Ziel Das Appartement bestand aus einem großen Raum mit Doppelbett, integrierter Küchenzeile, einem Tisch und zwei bequemen Korbsesseln.
„ Komm, wir setzen uns draußen auf die Terrasse.“
Er folgte Patrick nach draußen. Da die Wohnungen an einem Hang lagen, war der Blick von hier oben über das hell erleuchtete Parga einfach zauberhaft. Während David sich auf einen der Stühle setzte, ging sein Gastgeber noch einmal in die Wohnung, um Getränke zu holen. Er hörte, wie er den Kühl-schrank öffnete und zwei Flaschen herausnahm. Gläser klirrten. Wenig später kam er mit einem Tablett zurück, das er auf den kleinen Tisch vor ihnen absetzte. Er zündete eine Kerze an und rückte dann seinen Stuhl direkt neben den von David. Für vielleicht zwei Minuten, die diesem wie eine Ewigkeit vor-kamen, sagte keiner ein einziges Wort. Dann machte Patrick dem ein Ende.
„ Meine Mutter ist eine faszinierende Frau; sie hat es nicht verdient, betrogen zu werden.“
„ Ich will ja durchaus nicht deinen Vater verteidigen“, begann David zögernd, „aber war es denn nicht konsequent von ihm, sich von deiner Mutter zu trennen, wenn er es nicht mehr ausgehalten hat?“
Patrick nickte. „ Natürlich, nur hat er sich den falschen Zeit-punkt ausgesucht. Er hat Evelyn von Anfang an hintergangen. Mit Ausnahme der ersten beiden Jahre bis zu meiner Geburt. Und selbst da bin ich mir nicht so sicher. Er war immer berechnend. Er hätte sich niemals auf eine Bindung eingelassen, egal ob geschäftlich oder privat, ohne vorher genau abzuwägen, was für ihn dabei herausspringt.“
„ Aber hast du nicht vorhin gesagt, er hat deine Mutter geliebt?“
„ Hab ich das? Er war verrückt nach ihr. Das ist nicht dasselbe. Es hat ihm gefallen, sie in Besitz zu nehmen und sich vor anderen mit ihrer Schönheit und ihrem scharfen Verstand zu brüsten. Seht her, was ich für eine außergewöhnliche Frau habe; wie toll muss ich dann erst sein.“
Die Kerze begann zu flackern, bevor sie ganz ausging. Patrick holte den Docht aus dem Kerzenwachs und zündete sie wieder an.
„ Du hasst deinen Vater?“ Davids Worte waren mehr Fest-stellung als Frage.
Einmal mehr schüttelte Patrick den Kopf. „Ich hasse nieman-den, nur mag ich keine Menschen, die erst das Für und Wider abwägen, bevor sie sich auf etwas einlassen. Der Mensch ist keine Ware, obwohl er oft so behandelt wird. Mein Vater hat nie gelernt, mit dem Herzen zu schauen.“
David dachte darüber nach, ob er selber diese Fähigkeit besaß. Er glaubte zwar nicht, dass er wirklich berechnend war, sich aber häufig von seinen Ängsten leiten ließ. Bevor er weiter über seine Charaktereigenschaften nachdenken konnte, nahm Patrick den Gesprächsfaden wieder auf.
„ Die Frauen, mit denen mein Vater Verhältnisse hatte bis zur Trennung von meiner Mutter, lassen sich nicht an unseren vier Händen abzählen.“
„ Du hältst Seitensprünge für verwerflich?“
„ Natürlich nicht. Keiner ist unfehlbar, aber mein Vater wollte alles: ein elegantes Heim mit einer Frau darin, die ihn liebte und die die perfekte Gastgeberin abgab, aber außerdem Dutzende von Fickbeziehungen mit jungen Mädchen. Ich kreide ihm nicht diese Beziehungen an, sondern das Desinteresse an meiner Mutter. Sie war eine bessere Hausangestellte, mehr nicht. Wahrscheinlich war sein Körperkontakt zu manchen Hausan-gestellten häufiger und intensiver als zu seiner Ehefrau. Er hat alles als Ware betrachtet. Deshalb ist meine Achtung vor ihm nicht besonders stark ausgeprägt. Wenn meine Mutter lediglich eine schöne Frau gewesen wäre, hätte er eine Nacht mir ihr verbracht, vielleicht auch zwei; danach wäre sie in das unüberschaubare Heer von Liebhaberinnen eingereiht worden, und er hätte sich schon nach einem Monat nicht mehr an sie erinnert. Die Tragik war, dass er auch ihre Seele besitzen wollte und dann, als er alles besaß, dass Interesse verlor. Als Frau war sie schon bald zu alt für ihn. Ich weiß, wie sie gelitten hat. Sie wollte seine Liebe, bekam aber schon bald nicht mal mehr seine Aufmerksamkeit. Nur wenn es darum ging, Feste zu organi-sieren oder beim Kauf von kostbaren Stücken für seine Sammlung, fragte er
Weitere Kostenlose Bücher