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Mariannes Traenen

Mariannes Traenen

Titel: Mariannes Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M.
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den Stall bringen und dort auspeitschen?“, wollte Rudolf sich vergewissern, ob er richtig verstanden hatte.
    Marianne schüttelte den Kopf. „ Nein, nicht sie. Uns beide! “

    „ Marianne!“, rief Svenja erschrocken. „ Marianne … nein …! “
    „Du meinst …“ Konrad schluckte. „Du willst, daß … du willst ausgepeitscht werden? Zusammen mit …“ Er deutete auf die Kniende. „Zusammen mit ihr?“
    Rudolf sah Marianne aufmerksam an, sagte aber kein Wort.
    „Genau das meine ich“, entgegnete Marianne ruhig. „Sie dreht gerade durch, weil sie mit niemand reden kann und keiner ihre Entschuldigung annehmen würde.“
    „Das wäre auch noch schöner …“, wollte Konrad auffahren, aber Marianne unterbrach ihn.
    „ Bitte! Weißt du, was es heißt, vollkommen allein dem Verlust seiner Würde preisgegeben zu sein?“
    Konrad glotzte sie sprachlos an.
    „Dann versuche wenigstens, es zu verstehen. Ich verstehe es nur zu gut.“ Sie wandte sich wieder an Rudolf, der die ganze Zeit mit keiner Regung verraten hatte, was in ihm vorging. „Verstehst du es?“
    Rudolf nickte. „Das Gefühl, zu ertrinken, wei l man zum Schwimmen zu müde ist und das Wasser zu warm?“, fragte er.
    Dankbar lächelte Marianne ihn an. „Wirst du es tun?“
    Rudolf schwieg einen Moment. Reglos stand er da, wie es seine Art war. Und strahlte diese seltsame Ruhe und Souveränität aus, die Marianne so sehr an ihm liebte. Ein Stich erreichte ihr Herz bei dem Gedanken.
    „Konrad und ich werden es tun “, entschied er schließlich. Und die Art, wie er es verkündete, ließ keine Widerrede zu. Selbst Svenja, die im ersten Moment den Mund offen stehen hatte ob der ungeheuerlichen Vorstellung, verschloß diesen gleich wieder und verbot sich selbst den Protest.
    Marianne nahm ihr e Fesseln von dem fürchterlichen, roten Gestell, und reichte sie Rudolf. „Bitte“, sagte sie nur. Stehend bot sie ihm Hals und Hände.

    Feuer!

    Hitzewellen durchströmten Marianne, als sie wieder an der Reihe war, und er die lange, schwarze Peitsche mit unbarmherziger Strenge auf sie niederfahren ließ. Was sie allerdings nicht sehen konnte. Sie spürte nur den ungnädigen Zug der Kette, mit der sie hoch angebunden war. Die kalten, eisernen Gitter vor ihrem Gesicht, die rauhe Holzwand der Boxen an ihren nackten Brüsten und den kalten, unebenen Beton unter ihren schutzlosen Füßen. Die Augen hatte er ihr verbunden. Weil sie ihn darum gebeten hatte. Sie hörte, wie er mit ruhiger Gleichmäßigkeit die Peitsche wieder und wieder durch die Luft sausen ließ, spürte den hellen Schmerz auf Rücken, Lenden und Schenkeln, wo er sie traf. Sie zählte nicht seine Hiebe, sondern ergab sich ganz und gar dem reinigenden Feuer, daß er damit in ihr auslöste. Endlich ließ er von ihr ab, kam zu ihr und umfing sie. Sie spürte den harten Griff der Peitsche in seiner Hand auf ihrem Rücken, spürte seinen Atem, roch seinen Duft. Also war es Rudolf gewesen, der sie diesmal geschlagen hatte. Und der sie nun unter seiner Hand vergehen ließ, der sie sich so willig entgegenschob, für die sie so offen sein wollte, wie die Ketten es ihr erlaubten. Sein Griff in ihrem Haar, der tiefe Kuß, der ihr den Atem raubte, die Hitze, die er in ihrem Leib entzündet hatte, all das ließ sie schweben in einem Kosmos ohne Licht, Raum und Zeit.
    Sie hörte die Peitsche von neuem laufen und landen, hörte Svenja aufstöhnen unter den Schlägen, und Rudolfs leise gemurmelte Anweisungen an Konrad, über den Gebrauch einer so langen Peitsche. Die Blindheit und das Feuer in ihr wirkten wie ein Verstärker ihrer Sinne in den Pausen, wenn die beiden Männer sie allein ließen, um Svenja zu schlagen. Der Gedanke, daß Konrad, der liebe, nette Konrad gerade seine Mutter peitschte und zuvor auch sie selbst schon hart und unbarmherzig geschlagen hatte – es war so schamlos und unerhört. Und doch erschien es ihr richtig; es mußte so sein. Sie gönnte Svenja den Schmerz und die Strafe. Aber es war keine Schadenfreude, sondern Mitgefühl. Marianne konnte ihr nicht verzeihen. Aber sie wollte auch nicht, daß Svenja so litt unter ihrer Einsamkeit. Marianne selbst empfing die Peitsche wie eine Befreiung, eine Erlösung aus der grauen, bleiernen Schwere, die sie beinahe verschlungen hatte. Und wünschte sich sehnlich, daß die beiden endlich von Svenja abließen, um sie selbst wieder leiden zu lassen.
    Beinahe wehmütig hörte sie, wie Svenja irgendwann in haltloses Schluchzen ausbrach. Hörte

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