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Mariannes Traenen

Mariannes Traenen

Titel: Mariannes Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M.
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Moment, bis sie aus ihrem Dämmerzustand heraus das schwache Klopfen an der Tür realisierte. Sie setzte sich auf und gähnte. Um sie herum war es beinahe dunkel. Draußen hatte längst die Dämmerung eingesetzt. Wieder klopfte es leise. Marianne stand auf, wickelte sich in ihren Morgenmantel aus champagnerfarbener Seide, schlüpfte in ihre dazu so gar nicht passen wollenden Sandalen und schlich in den Flur, um einen verstohlenen Blick durch den Türspion zu werfen. Augenblicklich stockte ihr das Blut in den Adern.
    Draußen stand Svenja.
    Marianne brauchte eine Schrecksekunde um zu realisieren, daß ihr von Svenja keine Gefahr mehr drohte. Was immer es zu bedeuten hatte, es war nicht, daß sie nun wieder Fesseln anlegen und auf Zimmer 312 gehen mußte, um sich dort erniedrigen, schlagen und mißbrauchen zu lassen. Marianne überlegte fieberhaft, ob sie Svenja überhaupt sehen wollte, konnte sich aber nicht entscheiden. Mit dem unerwarteten Erscheinen war die ganze Ruhe dahin, die sich seit ihrer Befreiung in ihr ausgebreitet hatte. So sehr ausgebreitet, daß es sie gleichsam lähmte und ihr allen Antrieb zu nehmen schien. Unentschlossen stand sie da. Daß sie schließlich doch die Tür öffnete, war mehr ein Akt gewohnter Höflichkeit als eine Entscheidung.
    „Marianne, darf ich bitte mit dir reden ?“, sprudelte es ebenso unvermittelt wie unsicher aus Svenja heraus.
    Marianne gab wortlos die Tür frei. Unsicheren Schrittes trat Svenja ein und wartete, bis Marianne die Tür geschlossen hatte und voraus ging.
    „Bitte, nimm Platz.“ Marianne hatte sich für die unverbindliche, geschäftsmäßige Art entschieden. „Möchtest du etwas trinken?“ Und als Svenja nicht reagierte, stellte sie ungefragt zwei Gläser und eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch. Für eine Sekunde spielte sie mit dem Gedanken, Svenja zu fragen, ob sie nicht ein Glas Champagner wolle, es sei noch eine angebrochene Flasche im Kühlschrank. Doch sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Wunden heilen irgendwann, wenn man nicht dauernd daran herumspielt. Es war ihr Vater gewesen, der ihr das als Kind beigebracht hatte. Seltsam, daß sie gerade in diesem Moment an ihn denken mußte. Schweigend saß sie nun Svenja gegenüber, weil sie nicht wußte, wie sie ein Gespräch hätte eröffnen sollen.
    „Marianne, ich …“ Svenja wich ihrem Blick aus und schluckte. „Ich weiß, ich kann mich für das, was ich getan habe, nicht entschuldigen. Ich …“ Sie knetete nervös ihre Finger. „Ich … ich kann es nicht erklären, was da mit mir los war. Noch nicht einmal mir selbst kann ich es erklären.“ Nervös knabberte sie etwas Haut vom Nagelbett ihres Zeigefingers und Marianne bemerkte, daß die früher so langen und gepflegten Nägel alle abgebissen waren. An einigen Stellen hatte Svenja offenbar das Horn abgekaut bis aufs Blut.
    „Warum bist du dann hier ?“, fragte Marianne. Ihre Stimme war belegt. Sie fürchtete sich noch immer vor dieser Frau, auch wenn Svenja in diesem Moment eher wie ein aufgelöstes Nervenbündel vor ihr saß.
    „Ich … ich kann mich nicht entschuldigen …“ In Svenjas Augen sammelten sich Tränen. „Ich kann mit niemand darüber reden, ich …“ Ihre Stimme stockte. „Ich habe das Gefühl, zu ersticken.“
    „Du fühlst dich allein gelassen.“
    Svenja nickte und sah Marianne scheu an.
    „Allein war ich auch, als die Männer mich vergewaltigt haben “, entgegnete Marianne kalt. Für einen kurzen Moment hatte sie Mitleid empfunden. Doch sie wollte nicht verzeihen. Und auf keinen Fall wollte sie sich mit der Frau vor ihr versöhnen. Nein, selbst wenn Svenja Reue empfand, so wollte Marianne diese nicht annehmen. Sie wollte sich nicht nachträglich zur Komplizin dessen machen, was diese Frau ihr angetan hatte.
    „Ich weiß “, flüsterte Svenja. „Aber du … du …“ Sie ließ den Kopf hängen und ein Schauer durchlief sie.
    „Ich was ?“, fragte Marianne und zwang sich dazu, ihrer Stimme keinen zu ungnädigen Tonfall zu verleihen. Was geschehen war, war geschehen. Es ließ sich nicht mehr rückgängig machen, es ließ sich nur noch beenden.
    Svenja schaute auf. „Du wurdest wenigstens geschlagen “, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme. Ungeachtet der Tränen, die ihr über die Wangen liefen.
    Marianne blieb die Luft weg. Zuerst wollte sie aufbrausen. Aber womit? Was anderes hätte sie vorbringen können als Vorwürfe und Klagen über ihren verletzten Stolz, über ihre beschmutzte Würde? Was hätte

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