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Marias Testament

Marias Testament

Titel: Marias Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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bräuchte ich Brot, oder im Haus einer Nachbarin, die keinen Besuch gebrauchen konnte, alles in der Hoffnung, dass sich die jungen Männer bei meiner Rückkehr verlaufen haben würden oder dass mein Sohn aufgehört haben würde zu reden. Allein mit mir war er ungezwungener, sanfter, wie ein Gefäß, aus dem schales Wasser ausgegossen worden war, und vielleicht reinigte ihn diese Zeit des Redens tatsächlich von dem, was ihn beunruhigt hatte, und wenn es dann Nacht wurde, füllte er sich mit dem klaren Quellwasser der Einsamkeit, des Schlafs oder vielleicht sogar des Schweigens und der Arbeit.
    *
    Mein Leben lang habe ich den Sabbat geliebt. Die schönste Zeit war, als mein Sohn, gerade acht, neun Jahre, alt genug war, um Freude darin zu finden, unaufgefordert das Rechte zu tun, alt genug, um still zu sein, wenn es im Haus still war. Ich liebte es, Dinge vorzubereiten, dafür zu sorgen, dass das Haus sauber war, zwei Tage vor dem Sabbat mit dem Wäschewaschen und dem Abstauben zu beginnen und dann, am Vortag, das Essen zuzubereiten und dafür zu sorgen, dass genug Trinkwasser da sein würde. Ich liebte die Stille am Morgen, in der mein Mann und ich uns flüsternd unterhielten, ins Schlafzimmer unseres Sohnes gingen, um bei ihm zu sein, seine Hand zu halten und
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zu machen, wenn er zu laut sprach oder wenn er vergaß, dass es kein gewöhnlicher Tag war. Während jener Jahre waren die Sabbatmorgen in unserem Haus beschaulich, Stunden, in denen Stille und Behaglichkeit herrschten, in denen wir in uns blickten, gleichgültig gegenüber dem Lärm, den die Welt machte, oder den Eindrücken, die die vorhergegangenen Tage in uns hinterlassen hatten.
    Ich liebte es zuzusehen, wie sich mein Mann und mein Sohn gemeinsam auf den Weg zum Tempel machten, und ich liebte es, etwas später, nachdem ich gebetet hatte, allein zum Tempel aufzubrechen und unterwegs zu schweigen und niemanden anzusehen. Ich liebte manche der Gebete und die Worte, die uns aus dem Buch vorgelesen wurden. Ich kannte sie, und sie wurden mir zu einem sanften Trost, wenn ich mich auf den Heimweg machte, nachdem ich sie angehört hatte. Seltsam war, dass sich während dieser wenigen Stunden vor Sonnenuntergang in meinem Inneren etwas wie ein stummer Kampf abspielte zwischen dem Nachklang der Gebete, der Ruhe des Tages, der dumpfen lautlosen Leichtigkeit von allem, und auf der anderen Seite etwas Dunklem und Verstörendem, der Ahnung, dass jede verstrichene Woche verlorene Zeit war, die nicht zurückgeholt werden konnte, und eine Ahnung von etwas anderem, das ich nicht benennen konnte, das zwischen den Wörtern des Buches gleichsam wie ein Jäger oder Fallensteller gelauert hatte, oder wie eine Hand zur Erntezeit, bereit, die Sense zu schwingen. Der Gedanke, dass die Zeit sich bewegte, der Gedanke, dass ein so großer Teil der Welt ein Mysterium blieb, erschütterte mich. Das gehörte, so sah ich ein, zu einem Tag der inneren Einkehr. Ich war nichtsdestoweniger froh, wenn die Schatten bei Sonnenuntergang in die Dunkelheit aufgingen und wir wieder reden durften und ich in der Küche arbeiten und aufs Neue an die anderen und die Welt draußen denken konnte.
    *
    Sie stellen alles um, wenn sie kommen, meine zwei Besucher, als ob es ihr Haus wäre, als ob das Umräumen ihnen ein Gefühl der Macht gewähren würde, die ihnen nichts anderes schenken kann. Und wenn ich ihnen sage, sie sollen alles wieder zurückstellen – den Tisch wieder an die Wand rücken, und die Wasserkrüge vom Fußboden auf das Bord stellen, wo ich sie normalerweise aufbewahre –, sehen sie sich erst gegenseitig und dann mich an, um klarzustellen, dass sie unter keinen Umständen tun werden, was ich sage, dass sie auch in Kleinigkeiten ihren Willen durchsetzen und niemandem nachgeben werden. Während ich ihren Blick erwidere, hoffe ich, dass sie Verachtung oder wenigstens einen Widerschein ihrer eigenen Idiotie darin erkennen, obwohl ich keine Verachtung, sondern fast Freude empfinde und es mich belustigt, wie sie, kleinen Jungen gleich, planlos nach Möglichkeiten suchen zu zeigen, wer der Größte ist, wer das Sagen hat. Es ist mir gleich, wie die Möbel hier stehen, sie können sie jeden Tag umstellen, und es wird mich nicht stören, und deswegen mache ich mich oft schnell wieder an meine Hausarbeit, als würde ich kleinlaut meine Niederlage akzeptieren. Und dann warte ich.
    In diesem Zimmer gibt es einen Stuhl, auf dem noch nie jemand gesessen hat. Vielleicht war der Stuhl früher irgendwo

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