Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
lachte noch immer voller Übermut, fasste meinen Arm und lief mit mir zur Tür. Dort hielt er kurz inne, rannte noch einmal die Treppe hinauf, und kehrte mit irgendwelchen Plänen aus dem Arbeitszimmer zurück, vielleicht um nach außen den Anschein zu erwecken, als wollte er sie mir in der Kirche an Ort und Stelle erläutern.
„Schau, Kleine!“ rief er voller Begeisterung, als er den eisernen Kessel hinter dem Pfeiler hervorzog.
„Tatsächlich, Gold. Du liebe Zeit! Wo kommt denn das her, Hochwürd ... Bérenger?“ stotterte ich nun ebenfalls aufgeregt. Ich nahm einige Münzen in die Hand, um sie näher zu betrachten. Sie trugen ein Kreuz mit vier gleichlangen Balken. Dann wühlte und wühlte ich begeistert im Topf herum.
„Da unten war es“, sagte er und zeigte mir das Loch unter der Platte. „Und wo ein Topf mit Münzen ist, da kann auch anderes versteckt sein. Ich werde mich noch ein wenig genauer umsehen müssen in der Kirche. Wenn jemand nach mir fragt, so sage, ich wolle heute auf gar keinen Fall gestört werden. Schick sie alle fort! Ich verspreche dir, meine Kleine“, sagte er mit einem spitzbübischen Lächeln, „dass ich dich sofort holen werde, sollte ich weitere Schätze finden!“
Mit klopfendem Herzen und nicht wenig verwundert, lief ich ins Pfarrhaus zurück und zog den Linseneintopf vollends vom Herd. Gold? Wem gehörte es, und wer hatte es versteckt in der alten Kirche? Ich wusste nicht, weswegen ich aufgeregter war – wegen des Goldes oder weil ich meinen Dienstherrn mit seinem Vornamen anreden durfte, wenn wir allein waren!
Welch ein Tag!
Als Saunière endlich wiederkam, dämmerte es schon. Er musste gegen die Tür treten, damit sie aufsprang, denn mit beiden Händen trug er den schweren Topf und unter seinem Arm steckte obendrein ein kleines hölzernes Rohr.
„Marie“, rief er noch immer aufgeregt. „Richte mir ein wenig Käse, Brot und einen Krug Wein, und bring mir dann alles hinauf ins Arbeitszimmer, ich habe zu tun!“
Sprach es und eilte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die steile, ausgetretene Eichentreppe nach oben. Ich ihm hinterher, denn mit dem Topf in seinen Händen hätte er niemals die Tür zu seinem Zimmer öffnen können.
Später, als ich das Essen hinaufbrachte, war von dem Topf mit dem Gold nichts zu sehen, das Rohr jedoch lag geöffnet auf dem Tisch. Ich war zwar neugierig, wagte aber dennoch nicht, Bérenger auszufragen. Doch ihm waren meine suchenden Blicke nicht entgangen. Er stand auf, um mir den Krug mit Wein abzunehmen, und deutete dann auf die vor ihm liegenden vergilbten Blätter: „Weißt du, wo ich diese Pergamente entdeckt habe? In dem Pfeiler mit dem Westgotenkreuz, eben dem, der die Altarplatte gestützt hat. Er war innen hohl. Als ich hineingriff, zog ich zuerst lauter trockenes Gestrüpp heraus. Sieh, nun ist auch meine rechte Hand zerkratzt! Und dann - dann kam dieses mit Wachs versiegelte Holzrohr zum Vorschein, es enthielt drei Pergamente. Du kannst sie dir bei Gelegenheit einmal ansehen, Marie, doch muss ich darauf bestehen, dass du mir hier und auf der Stelle schwörst, mit keiner Menschenseele über meine Entdeckung zu reden. Schwörst du es mir?“
Er nahm meine Hände fest in die seinen und sah mich eindringlich an. Seine Mundwinkel zuckten. „Schwöre es“, flüsterte er noch einmal. Ich nickte. In diesem Augenblick hätte ich allerdings auch dem Teufel meine Seele versprochen, denn Bérenger Saunière hörte nicht auf, mir tief in die Augen zu sehen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Plötzlich beugte er sich zu mir herunter und berührte mit seinen Lippen sacht meine Stirn. Gold und Pergamente waren mir nebensächlich geworden an diesem Abend.
Noch vor Sonnenaufgang am nächsten Morgen kam er, mit dunklen Ringen unter den Augen, in die Küche. Ich hatte bereits Feuer gemacht, und Kaffeeduft zog durchs Haus. „Marinette“, sagte er ernst. „Lauf gleich ins Tal, und hol mir den Abbé Boudet herauf. Sag ihm, es wäre sehr, sehr wichtig. Erzähl ihm - aber erst wenn du dich versichert hast, dass euch niemand belauscht -, ich hätte in unserer Kirche eine Entdeckung gemacht. Das Gold erwähne jedoch nicht, sondern nur die alten Schriften, das wird ihn sowieso mehr interessieren!“
„Ich laufe gleich los!“ sagte ich und nahm meinen Tragkorb, um die Gelegenheit zu nutzen, einige Einkäufe zu erledigen.
„Danke dir, Marinette, ich danke dir wirklich“, sagte Saunière und wärmte sich die kalten Hände an der
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