Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Spekulationen, nichts weiter,
doch die Pariser Freunde sind begeistert!
Ich meine noch immer, Bigou könnte ein Spinner gewesen sein!
***
H. hält die ominöse Urkunde von 1747 für eine Fälschung!
Er hat eine Abschrift der Pergamente bei sich behalten, vor allem
interessiert ihn der Auszug mit dem „Ährenraufen“.
***
Streit mit B.
Ich soll mich endlich ernsthaft auf die Suche nach dem Gral machen!
Glaubt er, ich liege auf der faulen Haut?
Die Gemäldekopie ist unter Verschluss.“
Auf die Suche nach dem Gral soll er sich machen? Mit klopfendem Herzen stellte ich das Buch wieder an seinen Platz, beschloss aber zugleich, bei einer günstigen Gelegenheit erneut einen Blick hineinzuwerfen. Wie hatte der alte Lasalle immer gesagt: Es gibt Geheimnisse, von denen man nicht wüsste, wenn sie keine Geheimnisse wären!
Natürlich hatte ich in all den Jahren seitdem jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich heimlich Bérengers Aufzeichnungen las, doch ich kann es damit rechtfertigen, dass sein Tagebuch zu meinem persönlichen Ariadnefaden geworden ist, und dass ich als Geliebte ein Anrecht darauf habe, eingeweiht zu sein. Er konnte mich doch nicht im dunkeln tappen lassen!
Boudet wollte ich zukünftig besonders scharf beobachten. Denn mit welchem Recht setzte er Bérenger unter Druck?
Als nicht nur der Gemeindesprecher, Monsieur Caclar, langsam mürrisch wurde, weil es nach Bérengers Rückkehr noch immer nicht weiterging mit dem Umbau der Kirche, und Fragen laut wurden, warum Saunière die Arbeiter seinerzeit überhaupt weggeschickt hatte, tischte er ihnen ein erstes Märchen auf: Man müsse noch abwarten, bis ein Experte der Denkmalpflege aus Paris komme, der über die rechte Ausgestaltung der Kirche entscheiden werde. Er hätte jedoch keinesfalls vor – beruhigte er sie lachend -, die Renovierung so lange hinauszuzögern wie sein Vorgänger Pons.
Die Leute lachten mit ihm, und sie erinnerten sich: Ja, natürlich, der alte Abbé Pons! Hatten sie Jahrzehnte auf den Beginn der Renovierung gewartet, so kam es auf einige Wochen nicht an.
Doch Bérenger hatte anderes vor. Jeden Tag schlich er sich im Morgengrauen in die Kirche. Nicht einmal ich durfte ihm folgen, aber ich wusste, dass das Pergament dieses Bigou angedeutet hatte, dort würde sich noch ein weiterer Schatz befinden. Wochenlang kam er erst am späten Nachmittag verstaubt, verdreckt und zutiefst enttäuscht zurück. Abends machte er seine Besuche, und in der Nacht saß er meist schweigend über den Pergamenten. Bald begann er missmutig zu werden und sehr unchristlich zu fluchen, wie ich an seinen Aufzeichnungen verfolgen konnte:
„Wieder nichts! Merde! War heute im Tal. B. wird ungeduldig.
Obendrein hat er eine neue Vermutung: Zwillinge!
Das Zweite Gesicht? Didymus? Josef von Arimathäa?
Doch grau ist alle Theorie, wenn der Beweis fehlt!
Die verdammte Suche muss weitergehen!“
Das „Zweite Gesicht“ vertrieb mir einige Zeit die Langeweile beim Bügeln; Didymus und Josef von Arimathäa kamen mir spanisch vor, und was Boudet mit Zwillingen zu schaffen haben könnte, daran entzündete sich meine Phantasie heftig.
Doch musste Bérenger immer nur in Andeutungen und halben Sätzen reden? Ein klein wenig Rücksicht hätte er auf die Marie schon nehmen können!
Eines Tages jedoch veränderte sich die Situation dramatisch.
Nach dem Angelusläuten – gerade donnerte, blitzte und regnete es in Strömen - kam Antoine angelaufen. Abgehetzt, tropfnass und dabei schwer atmend, stand er vor uns.
„Hochwürden“, er schnappte nach Luft, „Hochwürden, ich habe etwas gefunden!“ Aufgeregt schwenkte er ein vergilbtes Papier in der Hand.
„Lass sehen, Antoine!“ rief Bérenger. „Wo hast du das her?“
„Ich, ich“, stotterte der Alte etwas verlegen, während die Pfütze um ihn herum größer und größer wurde, „ich habe mich nur ein wenig umgesehen, bei dem Haufen Bauschutt in der Ecke neben der Sakristei. Und dabei ... dabei ist mir das Kapitell aufgefallen, das früher auf dem alten Baluster saß. Ihr werdet es nicht glauben, Hochwürden – aber in der Öffnung steckte dieses kleine braune Fläschchen. Seht nur! Es war gar nicht einfach, mit der Pinzette meiner Rosalie, Gott hab sie selig, diesen Zettel herauszufischen. Aber er ist nicht in unserer Sprache!“
„Hm, hm, gib her, Antoine“, brummte Bérenger und besah sich das braune, fleckige, an den Ecken ziemlich eingerissene Pergament, das sich immer wieder von selbst
Weitere Kostenlose Bücher