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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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leisten könnte, hatte ich angenommen, es wäre für den Umbau der Kirche vorgesehen. Aber für wen, um alles in der Welt, hatte er sich derart in Unkosten gestürzt?
    Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte, getraute mich aber auch nicht, ihn darauf anzusprechen. Er sollte mich nicht für neugierig oder gar für undankbar halten. Als aber zwei Wochen später ein Brief aus Paris ankam, dessen gefütterter, violetter Umschlag nach Moschus duftete und der links oben in der Ecke mit einem einzigen albernen Röslein versehen war, schwante mir nichts Gutes. Die Absenderin war eine gewisse Emma Calvé, die sich mit einer schwungvollen Handschrift hervortat, mit allerlei unnützen Schnörkeln versehen. Als ich den Brief Bérenger übergab - mit fragendem Blick und trotzig zusammengepressten Mund -, wurde er tatsächlich rot im Gesicht.
    „Wie schön“, rief er aus, und seine Stimme nahm einen falschen hohen Ton an, „die gute Emma hat mir geschrieben!“
    „Wer ist die gute Emma?“ fragte ich mit aller Zurückhaltung. Bérenger erzählte nach der anfänglichen Verlegenheit geradezu aufgekratzt, dass er die Dame im Kreis von Hoffet und Bieil, dem Generalsuperior, kennengelernt habe. Sie sei eine wahrhaft berühmte Sängerin, abwechselnd in London und Paris zu Hause, und er habe sie mehrmals zum Essen eingeladen. Das würde man in Paris erwarten, vor allem, wenn man dadurch in die allerersten Kreise eingeführt würde, wie es ihm geglückt sei.
    Seine Reaktion und eine eigenartig fahrige Handbewegung - so als ob er mit seiner Erklärung all das wegwischen wollte, was sich vielleicht gerade in meinen Gedanken zu entwickeln begann -, zeigten mir, dass beträchtlich mehr dahintersteckte, als er zugab. Hatte Bérenger Saunière, der mir kurz vor seiner Abreise seine Liebe gestanden hatte, in Paris ein Verhältnis mit einer anderen angefangen? vieles sprach dafür. Doch hatte ich keinerlei Recht, ihm Vorhaltungen zu machen, noch wollte ich ihn allzu sehr in die Enge und damit vielleicht von mir wegtreiben.
    Ich versuchte daher, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Paris und diese Emma waren ja so weit weg. Doch ließ mir die Sache keine Ruhe. Als ein Zufall es wollte, dass ich kurz darauf Bérengers Tagebuch entdeckte, glaubte ich, endlich mehr über diese Frau erfahren zu können.
    Eines Abends hatte er das Kasualbuch der Gemeinde nachgetragen – ich erinnere mich daran, dass sich der Säugling der Babette Venot unter den Bestattungsfällen befand, der drei Wochen nach der Geburt gestorben war (man hatte die unglückliche Babette einsperren müssen, weil sie sich in die Wolfsschlucht stürzen wollte). Am nächsten Morgen bat er mich, das Buch wieder in die Sakristei zu bringen und dort einzuschließen, er müsse dringend weg, der Schlüssel hänge über seinem Bett. Das wusste ich längst, doch hatten mich jene Bücher – es handelte sich um ungefähr vierzig Stück, viele davon uralt – nie interessiert. Ich trug also das Buch zurück, und ich weiß bis heute nicht, welcher Teufel mich geritten hatte, mir das eine oder andere ein wenig genauer anzusehen. Beim Herumblättern stieß ich auf Eintragungen über die Ahnen der Dörfler; ich schmunzelte über ungewöhnliche Vornamen und entdeckte auch das höchst interessante Buch, in dem die unehelichen Geburten verzeichnet waren. Gerade als ich den Schrank mit den schönen Butzenscheiben wieder abschließen wollte, fiel mir ein ziemlich schäbiges Buch auf, das an vorletzter Stelle in der Reihe stand. Weil ich es für das älteste von allen hielt, wollte ich es an das Ende der Reihe stellen. Völlig arglos nahm ich es in die Hand, schlug es auf, um das Jahr festzustellen, und stutzte, als ich las:

    JOURNAL INTIME
    François-Bérenger Saunière
    Curé de Rennes-le-Château

    Was hätte ich tun sollen? Die Augen verschließen und das Buch einfach wieder zurückstellen?
    Ich musste Gewissheit haben, was es mit Emma auf sich hatte, und begann, zuerst flüchtig – wegen meines schlechten Gewissens – zu lesen. Doch von Emma kein Wort. Und so lange ich auch herumblätterte: auch über mich fand ich nichts Aufregendes. Nicht einmal eine Zeile über die herrliche Nacht, die seiner Abreise nach Paris vorangegangen war, nur: „M. fährt nach Lyon.“
    Natürlich enttäuschte mich das. Inzwischen hatte ich mich aber längst festgelesen, denn oft waren seine Notizen mehr als rätselhaft:

    „B. setzt mich wegen des Goldes unter Druck.
    Seine Vermutungen sind absurd, wilde

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