Marie + Leo = Liebe (German Edition)
unter etwas Persönlichem etwas
Selbstgestricktes und keine getragene Unterwäsche verstand. Schließlich war sie
ihre Mutter. Aber wenn sie sich das, was Marie da veranstaltete, so ansah,
fragte sie sich ehrlich gesagt doch, ob Leo sich über ein Wäschestück nicht
doch etwas mehr gefreut hätte. Immerhin hätte er das wenigstens theoretisch
tragen können, während dieser Pullover- Naja, vielleicht steigerte Marie sich
noch. Karolin seufzte.
Sie hatte schon lange nicht mehr mit Marie über deren Gefühle für Leo
gesprochen. Mindestens seit Maries Abitur, also gut fünf Jahre. Sie war also
nicht mehr auf dem allerneusten Stand gewesen und hatte daher gehofft, dass
Maries Liebe zu Leo im Laufe der Zeit etwas abgekühlt sein könnte.
Leo war aber auch wirklich ein Trottel. Da hatte er seit dem Kindergarten
so ein tolles Mädchen wie Marie tagtäglich vor Augen und was tat er? Er
schleppte eine vollbusige Blondine nach der anderen ab, ohne auch nur einmal
darüber nachzudenken, ob es nicht eine bessere Möglichkeit gegeben hätte. Und
ihr Schäfchen von Tochter rannte ihm trotzdem hinterher.
Es wäre sicher geschickter, wenn Marie sich etwas von ihm distanzieren
würde. Sie würde Leo mit der Zeit vergessen und dann einen netten jungen Mann
mit nach Hause bringen.
Die Betonung lag auf nett , denn diese Spinner, die sie bislang als
Leo-Ersatz angeschleppt hatte, da hätte Karolin ihr jedes Mal gleich sagen
können, dass das nichts wird.
Karolin war modern, das betonte sie gern immer wieder. Aber was Marie
betraf, da bekam sie langsam Torschlusspanik. Freilich, Marie war erst 24 und
hatte noch reichlich Zeit zum Heiraten. Aber würde sie jemals einsehen, dass
sie so nicht glücklich wurde?
Da saß sie, eine attraktive, intelligente, charmante junge Frau und
strickte sich die Finger ab, bloß weil jemand, der sie nicht einmal als Frau zu
schätzen wusste, signalisiert hatte, dass er einen neuen Pulli brauchte.
Signalisiert war übertrieben. Er hatte Marie sein altes Lieblingssweatshirt
in die Hand gedrückt und sie gefragt, ob sie das Loch in der Seitennaht nicht
flicken könne.
Grundsätzlich mochte Karolin Leo sehr gern, aber manchmal hätte sie ihn am
liebsten geohrfeigt, damit ihm endlich mal die Augen aufgingen.
Wenigstens darauf, dass Ricarda Marie zu diesem Anlass einen ihrer
gefürchteten „Heimchen am Herd“-Vorträge gehalten hatte, konnte Karolin sich verlassen.
„Tango habe ich bei Mama
untergebracht. Er vermisst dich sehr.“
Na gut, das war gelogen. Tango
aß und schlief wie eh und je. Der einzige Unterschied war, dass das
Einfamilienhaus von Maries Eltern einen kleinen Garten besaß und Karolin ihn
tatsächlich in einer einzigen Nacht davon hatte überzeugen können, dass ein
Hund, der etwas auf sich hielt, gefälligst auf den Rasen zu machen hatte und
nicht auf den Kelim. Das war alles.
Doch das hätte sie ihm
schließlich schlecht auf die Nase binden können, oder? Immerhin bestand
zumindest die Möglichkeit, dass Leo sie verstand, und sie wollte ihm etwas
erzählen, über das er sich freuen konnte.
Ob er sich freute, war nicht zu
erkennen, er lag genauso leblos da wie eben, als Marie an sein Bett getreten
war.
Es war acht Uhr morgens und
normalerweise hätten sie jetzt miteinander gefrühstückt. Er hätte beim Bäcker
Croissants geholt und sich mit seinem Glas mit rohen Eiern zu ihr an den Tisch
gesetzt, während sie ihm interessante oder kuriose Meldungen aus der Zeitung
vorgelesen hätte. Dann wäre er joggen gegangen und sie hätte sich für die
Arbeit fertig gemacht. Heute Abend wäre sie nach Hause gekommen und er hätte
auf sie gewartet. Vielleicht hätte er so getan, als ob er für sie gekocht
hätte, und sie hätte im Gegenzug so getan, als merke sie nicht, dass er
lediglich ein Fertiggericht aufgewärmt hatte. Im Anschluss daran hätten sie ferngeschaut,
wären ins Kino gegangen oder spazieren.
Stattdessen saß Marie an seinem
Bett und starrte in sein ausdrucksloses Gesicht, ihre Hand um seine gekrallt,
die leblos neben ihm unter der Decke hervorragte.
Das EKG piepste schrill, es machte
Marie nervös. Alles hier machte sie nervös.
Sie fuhr sich mit der Hand über
die Stirn.
Wenn das so weitergeht, verliere ich den Verstand
Ihre Fingerkuppen strichen
seinen verschrammten Unterarm entlang.
Wie hatte das nur geschehen
können? Hatte niemand diesen völlig sinnlosen Anschlag zu verhindern versucht?
„Ach, Leo“, seufzte sie und
versuchte die Tränen
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