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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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München hierher nur zurückgelegt, so gedankenversunken?
    Miriam war noch nicht zurück. Ihr Auto stand nicht im offenen Stadel.
    Während er in der Küche stand und Salat wusch, hörte er draußen den Fendt von Engelbert. Die Kolben tuckerten sanft und unverkennbar. Dazwischen lagen bekannte Stimmen. Er unterhielt sich vom Traktor herab mit Miriam, die aus ihrem Cabrio heraus etwas mit ihm besprach, und so weit er es erkennen konnte, wirkte ihre Unterhaltung eher geschäftsmäßig. Gleich darauf entfernte sich das Geräusch des Traktors in der Ferne und vom Stadel her drang das heftige Knirschen von Kies, was auf eine eher lodernde Stimmung bei Miriam hindeutete. Dieses harsche Bremsen signalisierte Gefahr. Bucher wollte sich also ruhig verhalten und möglichst nicht auffallen.
    Gleich darauf stürmte sie ins Haus, warf ihm im Vorübergehen einen flüchtigen Kuss auf den Mund, kam kurz darauf von oben herunter, in einer alten Jeans und altem T-Shirt, ein Tuch verwegen als Kopftuch um die Stirn gebunden, darin die langen schwarzen Locken halbwegs gefangen. So eilte sie ohne weitere Erklärung hinüber, in die Scheune des Nachbarn, wo sie bald darauf mit dem zweiten Fendt herausbrauste. An dem hing ein Ladomat .
    Bucher sah ihr nach, wie sie in Richtung Lech verschwand. Bald würde sie mit einer Fuhre Heu zurückkommen. Er stöhnte leise und schnitt sorgfältig die Schalotten. Woran es nur lag? Engelbert würde ihm nie einen seiner Fendts anvertrauen. Hatte es wirklich an seiner Treue zu diesem alten Passat zu tun, die ihn in Sachen Motorenwelt als nicht vertrauenswürdige Person erscheinen ließ? Musste man ein schniekes rotes Cabrio fahren, mit Sitzheizung und Automatik, schwarze lockige Haare haben und manchmal um die Kurve pfeifen wie verrückt, nur um einen Fendt 200 Vario anvertraut zu bekommen?
    Er erwartete den Abend mit einem Glas Rosé, einem seelenberuhigenden Blick hinunter zur Biegung des Lechs – und freute sich auf Frankreich.
    *
    Siebl hatte die Unrast, die sich seines Gemüts bemächtigt hatte, nicht ablegen können. Wie ein Fiebernder war er früher als gewohnt und üblich nach Hause gefahren, was ihm den Feierabendstau am Mittleren Ring ersparte. Seine Frau tat überrascht, als er ins Wohnzimmer trat. Sie stand auf einem Schemel am Bücherregal, das er von einem Schreiner hatte anfertigen lassen. Es reichte vom Boden bis zur Decke und nahm die Wand in ihrer gesamten Breite ein. Er sah, wie ihre Blicke suchend über die Buchrücken glitten.
    Sie sprach ihn an, ohne den Blick von der Bücherwand zu lassen und er entnahm ihren Worten einen Hauch von Häme. »So früh schon mit der Arbeit fertig geworden, oder kommst du, mich zu kontrollieren?«
    Er antwortete nicht, warf stattdessen den Schlüsselbund auf den alten Kirschholztisch, wo er beim Aufschlag laut schepperte und mit einem hässlichen Zischen über die Einlegearbeiten rutschte. Das mächtige Ding war ein Erbstück ihrer Großeltern. Er hasste das Monstrum: zu massiv, zu dunkel, zu sperrig, zu protzig, zu bürgerlich – zu sehr von ihrer Familie stammend. Immer ihre Geschichten, die er alle kannte – welche Tante, welcher Onkel welchen Stammplatz daran hatte, wo das Ding gestanden hatte, zu welchen Anlässen was gesagt worden war und welche Folgen es gehabt hatte. Geschichtsgeschichten ihrer Familie. Das hatte doch in diesem von ihm erdachten Haus nichts verloren. So war es.
    Er trat an die breite Fensterfront und sah hinaus. Es war sein Blick . Das Grundstück hatte er damals ausgesucht und sich gewundert, weshalb es keiner hatte haben wollen. Nur der Randlage und ungewohnten Proportionen wegen? Es war mehrwinklig, durchaus eigenwillig geschnitten, und darum mit der vermeintlichen Schwierigkeit behaftet nur schwer ein Haus einplanen zu können. Dabei gab es nur eine einzige Möglichkeit, wie er es auf den ersten Blick gesehen hatte, als er dieses von Büschen und Unkraut bewucherte Stück Land gesehen hatte. Er sah sich sofort auf einer gemütlichen Couch vor einer breiten Fensterfront sitzen und hinausschauen. Ein Traum, den er – Rudolf Siebl – Wirklichkeit werden ließ. Das Haus ließ er entgegen allen gut gemeinten Ratschlägen der Architekten, seiner Frau und deren Verwandtschaft um seine virtuelle Couch herumbauen. Die anderen Räume hatten für ihn keine Bedeutung.
    Er ließ sich in das weiche Leder fallen und sah hinaus – grüne Weiden, in der Ferne grasten zwei Kühe und ganz hinten im Dunst waren die Umrisse der

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