Marienplatz de Compostela (German Edition)
möglich, das matte Schimmern der Metallkontakte zu erkennen.
Und das Pendel war ein tödliches Monstrum.
Sie drehte sich zur Seite. Wieso machte sie mit, bei diesem Spiel, aus welchem Grund? Ja sie hatte Durst, aber das war nur ein Teil ihrer Motivation. Treibender und energischer war sie getrieben von der Furcht; der Furcht vor dem, was passieren würde, wenn sie sich dem Spiel verweigern würde. Das hatte sie inzwischen erkannt – es war ein Spiel. Ein Spiel, bei welchem ihre Aufgabe ganz sicher darin bestand, das lichtumflutete Tor zu erreichen. Die anderen, die ihr unsichtbaren Spieler, hatten das Ziel, genau das zu verhindern. So einfach war es. Nur wusste sie nicht, wie viele Leben sie hatte und ob es ein Bonusprogramm gab und gegen wen sie spielen musste, denn sie musste spielen – die unbekannten anderen wollten spielen. Solange es möglich war, wollte sie mitspielen, denn das Einzige, was sie damit gewinnen konnte, war zugleich das Allerkostbarste für sie: Nichts war wertvoller als – Zeit.
Gewölbe
Bucher wachte im Morgengrauen auf. Die feuchte Kühle hatte ihm schneidend an die Schultern gegriffen, trotz der zwei Decken, die über ihn gelegt worden waren. Miriam.
Drunten, über der Lechschleife, waren die Baumwipfel von trüben Morgennebeln verhangen. Eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte, veranlasste ihn sich halb aufzurichten und hinüber zum Waldrand zu sehen. Über die Wiese schnürte ein Fuchs. Er hielt kurz an und schaute zurück. Ihrer beider Blicke trafen sich. Lange, so kam es Bucher vor, blickte ihm der Schlaue in die Augen, ernst und fordernd zugleich, bis er unaufgeregt seinen Weg fortsetzte und im Gebüsch verschwand. Hatte er gut gefressen?
Bucher richtete sich nun langsam auf, dehnte und streckte vorsichtig Muskeln und Gelenke, die sich eingefroren anfühlten. In der Küche klapperte es.
Miriam goss ihm Kaffee ein, tat warme Milch dazu, setzte sich schweigend an den Tisch und las Zeitung. Irgendwann fragte sie: »Was hat es gestern noch gegeben, dass du nicht nach Frankreich gefahren bist?«
»Wir hatten eine Fundstelle, deshalb hat es so lange gedauert.«
»Diese vermisste junge Frau?«
Er überlegte, was er sagen sollte, war aber zu müde, der Frage elegant auszuweichen. »Nein. Das Bein einer anderen. Es lag im Müll, auf einem Autobahnparkplatz im Münchner Norden.«
Sie verzog ihr Gesicht zu einer schmerzverzerrten Miene. »Ohh. Ich hatte schon an so etwas gedacht, als ich dich heute Morgen drunten auf der Liege sah. Der Buchfink hatte mich geweckt. Was wird jetzt?«
Er zuckte mit den Schultern. Was wird jetzt? Eine gute Frage.
*
Er machte sich müde auf den Weg in ein erwachendes München. Aus allen Richtungen strömte die Pendlerflut der der Stadt zu. Am Weißenburgerplatz prallten die Sonnenstrahlen auf den Glaspalast-Brunnen. Gleißende Wasserfäden sponnen sich über die Granitteller und schienen aus den Kronen der blühenden Linden selbst zu kommen, von denen ein süßer Duft in die Straßen des Viertels zog. Im Untergeschoss des Marienplatzes stoppte ein Mann und sonnte sich im warmen Orange des Tunnelbogens. Die Massen fluteten um ihn herum, einige verwundert, andere verärgert.
Lara Saiter empfing Bucher bald darauf mit der gleichen Frage, die Miriam ihm gestellt hatte: Was wird jetzt? Diese Frage von ihr gestellt, irritierte ihn. Er wich ihr aus, obwohl er schon einen Plan hatte.
Ein Blick in Hartmanns Büro zeigte einen verwaisten Schreibtisch. »Wo ist Alex?«, fragte er.
»Ach, du weißt das noch nicht? Ich dachte du hättest es an den Zeitungsständen schon gesehen.«
»Was weiß ich nicht, was hätte ich sehen sollen?«
Sie ging in ihr Büro, holte die Boulevardzeitung und warf sie auf den Tisch im Besprechungsraum. Batthuber kam dazu. Bucher brauchte eine Weile, um die Titelstory zu erfassen. Das riesige Farbfoto zeigte einen Müllhaufen und mittendrin war der Trekkingstiefel zu sehen. Münchnerin zerhackt! stand in handgroßen Lettern darüber. Bucher sah die anderen beiden fassungslos an. »Wie kann das passieren?! Es waren doch nur unsere Leute vor Ort!«
Batthuber zuckte mit den Schultern und angelte sich die Zeitung. Er kannte das Foto bereits und betrachtete es, als wäre von ihm eine Antwort auf Buchers Frage zu erwarten.
»Und Alex mischt die von der Redaktion jetzt auf, oder was?«, fragte Bucher.
Lara konnte ihn beruhigen. Hartmann hatte sie angerufen, als er schon auf dem Weg zu Anne Bohms Eltern war. Er
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