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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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es eher umgekehrt, Gerrit ist uns zugelaufen oder so. Wenn er nur durchkommt …«
    Er tätschelte ihr beruhigend den Arm. »Das wird schon werden«, sagte er und merkte selbst, wie lahm das klang. »Also, weißt du, was passiert ist? Und in welcher Klinik steckt Antonia überhaupt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Antonias Mutter hat es erst von ihrem Mann erfahren, genau in dem Moment, als Gerrit dort war, und sie hat ihm einfach die Tür vor der Nase zugeknallt. Wir wissen also gar nichts.«
    »Ich kümmere mich darum. Hoffentlich macht Frau Tewes jetzt endlich den Mund auf, denn irgendetwas verschweigt sie uns.« Erstaunt beobachtete er, wie Marilene errötete. »Du weißt, was es ist, hm?« Er kniff die Augen zusammen und schaute sie scharf an.
    Sie wand sich. »Ich kann’s dir nicht sagen, nicht ohne Genehmigung von Antonia. Vielleicht könnten wir sie zusammen besuchen, wenn du herausfindest, wo sie ist, dann krieg ich das hin.«
    »Na gut«, gab er sich zufrieden, »dann machen wir das so. Jetzt würde ich gern Handy-Nummern austauschen, so geht das nicht, dass ich nur per Zufall erfahre, wenn was passiert.«
    Sie nickte und folgte ihm auf den Flur hinaus. Kaum hatten sie die jeweilige Nummer eingegeben, kam ein Pfleger im wehenden Kittel auf sie zugehetzt.
    »Sind Sie die Eltern?«, fragte er und trat dabei auf der Stelle.
    »Kripo«, sagte Zinkel und tastete nach seinem Ausweis.
    »Doktor Junghammer«, stellte sich der vermeintliche Pfleger vor. »Da es sich um einen Kampfhund handelt, haben wir postexpositionelle Prophylaxe gegen Tollwut verabreicht«, er sprach hektisch, »antibiotische Therapie ist ebenfalls eingeleitet, die Wunde müssen wir wegen der Infektionsgefahr vorläufig offen halten, und alles Weitere muss die Zeit zeigen.« Und weg war er.
    »Speedy Gonzales«, flüsterte Zinkel fassungslos. Er schaute zur Seite. Marilene stand mit offenem Mund neben ihm, genauso perplex wie er. »Okay, dann mach ich mich jetzt mal auf den Weg. Aber wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden ja?«, vergewisserte er sich nochmals.
    Sie nickte stumm, reichte ihm die Hand drauf und ging zurück auf ihren Posten.
    * * *
    Sie rennt um ihr Leben. Ihr Atem rasselt in den Ohren, trotzdem hört sie ihren Verfolger, er kommt näher, immer näher, schneller, treibt sie sich an, und ihre Füße trommeln auf den Boden, die Häuser ringsum scheinen unbewohnt, wie seltsam, kein Mensch auf der Straße, niemand, der ihr helfen könnte, keine offen stehende Tür, hinter die sie sich flüchten könnte, sie ist völlig auf sich allein gestellt, es gibt nur sie und ihn, und sie wird verlieren, sie hat keine Chance, spürt, wie ihre Beine allmählich erlahmen, ein Stückchen noch, fleht sie; wenn sie es schafft, die nächste Ecke zu erreichen, dort wohnen Menschen, sie weiß es genau, dort würde sie Hilfe bekommen, wenn sie laut genug riefe, nicht mehr weit, zehn Meter?, höchstens zwanzig, sie zählt rückwärts, im Rhythmus ihrer stampfenden Schritte, neunzehn, achtzehn, sie stolpert, strauchelt, nicht fallen!, schreit es in ihr, siebzehn, sechzehn, sie stürzt, und noch im Fallen spürt sie das Tier sich in ihrem Bein verbeißen, ein unerträglicher Schmerz fährt durch ihren ganzen Körper hinauf bis in den Kopf, und endlich brach ein Schrei sich Bahn.
    Schlagartig wach. Es dauerte einen Moment, bis Marilene sich erinnerte, wo sie war, der Traum zu real, um sich einfach abschütteln zu lassen. Hatte sie etwa laut geschrien und war davon wach geworden? Der Biss jedenfalls war ein Wadenkrampf und noch nicht vollständig abgeklungen. Sie bückte sich, um die Wade zu massieren, stand schließlich auf und ging ein paar vorsichtige Schritte bis zum Fenster.
    Jenseits der Scheibe war alles ruhig. Die Monitore über Gerrits Bett zeigten wie zuvor Kurven und Zahlen, die sie zwar nicht zu deuten vermochte, aber Gefahr würde hektisches Blinken zeitigen, eine gerade Linie, eine Null. Dies war Leben. Ein Pfleger betrat den Raum, wechselte bei einem der anderen Patienten die Infusionsflasche und kontrollierte auch die übrigen. Er ging ohne Hast wieder hinaus. Alles in Ordnung.
    Marilene gähnte und schaute auf ihre Uhr. Gleich eins. Sie brauchte dringend einen Kaffee, sonst würde sie sofort wieder einschlafen. Sie wandte sich zur Tür und erstarrte. Sie war nicht allein. Sie war überhaupt noch nicht wach. Schlimmer noch, es war keine Frage von Wachen oder Schlafen, es war eine Frage von lebendig oder tot: Drei Engel standen dort,

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