Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
sprunghaft angestiegen ist, seit du zu uns gekommen bist?«
»Na, zumindest Körber kannst du mir nicht anlasten, der hat weit vor meiner Zeit ins Gras gebissen«, entgegnete Zinkel.
»Oder in die Küchenfliesen«, sagte Lübben. »Egal, der Bericht ist da. Mit einer Anfrage, was hier neuerdings los ist, siehst du, das fällt nicht nur mir auf. Jedenfalls ist es Körbers Blut, das wir bei Lilian gefunden haben.«
»Das war ja eh schon klar«, sagte Zinkel, »aber es ist nur ein Indiz und belastet Frau Tewes«, betonte er, »eben nur bedingt. Wir müssen herausfinden, ob ihr jemand was anhängen will, aber dafür müsste sie mit uns reden.«
»Ist deine Anwältin da weitergekommen?«, fragte Lübben.
»Anscheinend nicht, sie wollte mich anrufen, wenn ja.«
»Und wie zuverlässig ist sie?«
»Im Prinzip sehr, sie neigt bloß zu Alleingängen«, schränkte Zinkel ein. »Allerdings hat sie ein paar Begegnungen der potenziell tödlichen Art hinter sich, also hat sich das vielleicht gelegt. Was ist mit Siebenhaar«, kam er zurück aufs Thema, »kriegen wir einen Durchsuchungsbeschluss? Könnte doch sein, dass wir welche von Körbers Sachen bei ihm finden.«
»Ich kann’s versuchen«, stimmte Lübben zu. »Dass Lilian ausgesagt hat, er wollte sie vergewaltigen, könnte dabei sogar hilfreich sein.«
Sturer Hund, dachte Zinkel, wie deutlich musste er werden, um Lübben klarzumachen, dass er Distanz wahren sollte? Lilian – das ging gar nicht. »Was ist mit den Speichelproben von Kathrins Mitschülern?«, fragte er.
»Kein Treffer.« Lübben fuhr mit dem Finger die Liste hinunter. »Silke Mangold und Jenny Degener stehen aber ja noch aus.«
Vor morgen würde das auch nichts werden, nahm Zinkel an, sie hatten die Proben erst gestern Abend entnommen, bei Silke Mangold unter großem Gezeter, wohingegen Jenny geradezu kleinlaut gewesen war. »Haben Sie mir das mit der Psychotusse eingebrockt?«, hatte sie ihn nach der Prozedur gefragt, worauf er ihr versichert hatte, dass die »Psychotusse« sehr nett sei, wenn auch etwas schräg. Das hatte Jennys Stimmung enorm aufgehellt, und er ahnte, warum.
»Dafür«, fuhr Lübben fort, »haben wir das Ergebnis der Vaterschaft. Wie wir vermutet haben: Eddi hat seine Schwester geschwängert. Und auf dem Seil sind ein paar Spuren von ihm, steht hier, allerdings nicht gehäuft am Zugende.«
»Also war es auf jeden Fall sein Seil, und Kathrin hat’s im Keller gefunden«, folgerte Zinkel.
»Haben wir hier nicht«, warf Lübben ein. »Keller«, erläuterte er auf Zinkels verständnislosen Blick hin.
»Ja, egal, es heißt halt nicht unbedingt, dass Eddi Kathrins Mörder ist. Er könnte natürlich Handschuhe getragen haben, und ob wir die finden …«
»Also noch eine Durchsuchung.« Lübben machte sich eine Notiz. »Haben wir sonst noch was vergessen?«
»Im Moment fällt mir nichts ein«, sagte Zinkel, »aber ich hab den Eindruck, dass Klawitter die Probleme ohnehin lieber häppchenweise serviert bekommt, kann das sein?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Wie gesagt, wir sind eine derartige Häufung von Gewaltdelikten nicht gewöhnt. Kannst du noch ins Klinikum und das Opfer befragen? Judith hat heute Weiberabend, und ich hab versprochen, die Mädchen zu hüten.«
»Sicher.« Zinkel fuhr den Computer runter und zog seine Jacke an.
»Soll ich dich fahren?«, fragte Lübben.
»Nö, bisschen Frischluft kommt mir grad recht. Bis morgen dann, mach’s gut.«
Lübben winkte nur, und Zinkel verließ erleichtert das Gebäude. Reine Bürotage konnte er so wenig ausstehen wie Überwachungen. Zu lange am selben Platz war einfach nichts für ihn. Zwar gehörten Krankenhausbesuche auch nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, doch besser, als sich mit Klawitter zusammenzusetzen, war es allemal. Obwohl der eigentlich ganz in Ordnung war; er hatte bislang kaum je Einwände gegen ihre Ermittlungen erhoben, und wenn, dann vorsichtig formuliert und ausgesprochen fundiert begründet; er war fix, wenn es darum ging, Formulare und Genehmigungen beizubringen; und er gab vor allem nicht den Klugscheißer, und da hatte er im Laufe seiner Karriere doch ganz andere Kaliber kennengelernt.
Zinkel zog die Jacke am Hals enger zusammen und legte einen Zahn zu. Es war mächtig kalt geworden, doch vielleicht kam es ihm nach den paar Tagen Pseudo-Sommer auch nur so vor. Die Nacht kroch gerade heran, sich über die neblige Trübsal dieses Tages zu legen. Zwei Krähen hackten etwas Totem die Augen
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