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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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sie, »aber jetzt müssen wir, leider, sonst verschläft«, sie warf einen Blick zur Schwester, »Rebekka nachher ihre Schicht.«
    »Sie haben sich aufgeteilt? Gute Idee«, lobte er. »Das heißt, es gibt noch mehr Schwestern?« Er riss ungläubig die Augen auf.
    »Wir sind zu dritt«, erklärte sie, »das macht’s leichter. Also bis dann, gute Nacht.«
    Er verabschiedete sich per Handschlag, zog nur Marilene kurz und leicht an sich. Sie ließ es geschehen, das war doch immerhin ein Anfang. »Melde dich, wenn ich was tun kann, ja?«, bat er, und sie nickte.
    Er schaute den Frauen hinterher. Gut, dass er zurückgekommen war, nachdem er die Wanzen in ihrer Wohnung installiert hatte. So kannte er wenigstens schon mal zwei der Schwestern, und sie würden ihn jederzeit an Gerrit heranlassen, sollte das vonnöten sein. Solange der sich auf der Intensivstation befand, wäre ein Eingreifen ohnehin zu gefährlich, er musste warten, bis er verlegt wurde, und das konnte dauern. Ewig würden die Schwestern ja wohl auch nicht hierbleiben können, nahm er an. Was ihm jetzt noch fehlte, war Zugang zu Marilenes Adressbuch, dann könnte er künftig auch ihre Handy-Gespräche mithören.

12
    Allein. Zum allerersten Mal in ihrem Leben war sie vollkommen allein. Gelähmt vor Angst. Ihr Herz schlug zu heftig, und sie legte die Hand auf die Brust, wie um den Galopp zu bremsen. Es funktionierte nicht, natürlich nicht. Nur nicht schlappmachen, beschwor sie sich, irgendwann würde Antonia nach Hause kommen, und sie würde sie brauchen. Oder auch nicht. Antonia hasste sie, und sie konnte sie sogar verstehen. Ohnehin hatte sie eine Tochter wie Antonia nicht verdient, und nun hatte sie auch noch ihr Leben leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
    Ihre Tabletten. Seit Frank ihr gesagt hatte, was passiert war, kreisten all ihre Gedanken um diese zwei Wörter. Ihre Tabletten. Sie könnte schreien. Nein, konnte sie auch nicht. Wollte sie zwar, ging aber nicht. Ihr fehlte die Kraft, die Energie. Sie kam sich vor wie unter Wasser, alles war dumpf und verschwommen und farblos. Wenn Antonia gestorben wäre, wäre auch sie nicht mehr am Leben. Sie hatte überlegt, wie sie das machen würde, und beschlossen, auf die Rasierklinge zurückzukommen, das wäre das Einfachste, nun, da die Tabletten fehlten. Ihre Tabletten. Aber Antonia lebte, und so hielt sich noch ein winziger Fetzen Hoffnung, dass doch noch alles wieder gut werden würde. Eines Tages. Irgendwann. Vielleicht?
    Was an ihr zehrte, war die Ungewissheit. Würde alles gut werden? Oder eher noch schlechter? Sie wünschte, sie könnte eine Entscheidung herbeiführen, und zwar jetzt sofort. Sie hielt dieses Warten nicht aus. Die Zeit dehnte sich unendlich, und sie wusste nicht, was sie machen konnte, um sie auszufüllen. Sie könnte putzen, überlegte sie. Ach was, es war sauber genug. Sie könnte Unkraut jäten. Zu kalt, zu trüb, zu neblig, keine Lust. Warum nur hatte sie nachgegeben und ihren Job gekündigt? Da hätte sie funktionieren müssen. Jetzt gab es keinen Grund, irgendetwas zu tun. Niemand da, der versorgt werden müsste. Nur sie selbst. Sie zuckte mit den Achseln, sie hatte nicht mal Hunger.
    Es klingelte. Sie blieb sitzen. Sicher nur ein Bote, der ein Paket für einen Nachbarn loswerden wollte. Ein einziges Mal hatte sie geöffnet, und da war sie gezwungen gewesen, auf so einen komischen Kasten etwas zu kritzeln, das einer Unterschrift wenigstens ähnelte. Das Paket hatte sie dann »vergessen« müssen, weil sie nicht wusste, für wen es war. Antonia hatte es schließlich übergeben. Seitdem mied sie Boten. Inzwischen wusste sie, wann die verschiedenen Firmen ihre Runde fuhren, und blieb in der Zeit einfach unsichtbar.
    Es klingelte noch mal. So hartnäckig waren die sonst aber nicht, sie duckte sich sicherheitshalber und rutschte auf ihrem Stuhl noch weiter nach unten.
    »Frau Tewes, ich weiß, dass Sie da sind, bitte machen Sie die Tür auf!«
    Der Polizist! Sie schaute auf und erwischte ihn dabei, wie er vor ihrem Küchenfenster hochhopste, um oberhalb der Gardine hereinschauen zu können. Es sah witzig aus. Widerwillig stemmte sie sich hoch. »Ich komm ja schon«, murmelte sie und schlurfte langsam zur Tür. Vielleicht gab Zinkel auf, bevor sie dort war. Hauptsache, er hielt die Klappe. Die Nachbarn hatten sowieso schon zu viel mitbekommen.
    »Morgen«, sagte er, »darf ich reinkommen?«
    »Wenn’s sein muss«, sagte sie ungnädig, sollte er ruhig merken, dass er nervte. Sie ging voran

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