Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
Handy in der Jackentasche und mit ihm die Erinnerungen. Wenn sie Ergebnisse lieferte, würde er ihr vielleicht verzeihen, nahm er sich vor, stieg aus und klingelte bei Degeners.
    Der Summer gewährte ihm ohne Rücksprache Zutritt zum Grundstück, und als er sich dem Haus näherte, sah er Jenny schon in der Tür lehnen, aufreizend gelangweilt wirkend wie je. Die Rosen-Lady war nicht in Sicht, ihre halb entlaubten Zöglinge jedoch hielten mit letzter Kraft an den lilaroten Blüten fest, die, ein wenig welk schon und braun an den Rändern, noch immer von wärmeren Zeiten kündeten; die Schönheit des Verfalls. Könnte er die Assoziation mit diesem Haus bannen, er würde Rosen ziehen, dachte Zinkel mit unerklärlicher Sehnsucht.
    »Hey«, sagte er, »wie geht’s?«
    »Sind Sie nur gekommen, um mich das zu fragen?«
    Jenny wirkte dermaßen verwundert, dass man auf den Gedanken kommen könnte, es habe sich noch nie jemand nach ihrem Befinden erkundigt. »Auch«, sagte er.
    »Geht so«, kam es mürrisch.
    »Heißt? Warte«, er überlegte es sich anders, »zieh dir was über und zeig mir euren Garten, ja?«
    »Dafür bin ich nicht die Richtige.«
    Er starrte sie unentwegt an, bis sie nachgab und kurz darauf in einer Daunenjacke zurückkam. Sie zog die Kapuze über den Kopf, dass kaum noch etwas von ihr zu sehen war, und pflanzte sich vor ihm auf. Kurzerhand ergriff er sie beim Arm und zog sie mit sich einen der sich windenden gepflasterten Wege entlang, fort vom Haus.
    »Kann man da rauf?«, erkundigte er sich, als sie die Brücke erreicht hatten.
    Sie schaute ihn an, als sei er nicht ganz dicht. »Wofür sollte die sonst gut sein?«
    »Optik«, entrüstete er sich und prüfte zunächst, ob das fragile Bauwerk sein Gewicht tragen würde. Es knarzte bedenklich unter seinen Füßen. »Na, lassen wir das lieber«, sagte er und legte den Kopf schief, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte. »Ich möchte wirklich wissen, wie’s dir geht. Hat er dich noch mal angerührt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er wollte«, sagte sie, »aber er hat’s nicht gemacht.«
    »Und wie kommst du mit Frau Amelung zurecht?«
    »Geht schon.« Sie verzog den Mund zu etwas, das fast als Lächeln durchging. »Sie ist ziemlich cool, obwohl sie schon so alt ist.«
    »Lektion eins«, sagte er, »cool zu sein hat nichts mit dem Alter zu tun.«
    »Nehmen Sie mich hoch oder was?«
    »Nur ein bisschen.« Er breitete in aller Unschuld die Hände aus. »Und wie läuft’s mit dem Essen?«
    »Nicht so gut«, gab sie zu, »ich versuch’s, ehrlich, aber es geht irgendwie nichts rein in mich, jedenfalls nicht, um zu bleiben.«
    Eine Umschreibung so originell wie bedenklich, fand Zinkel. »Das ist ein langer und schwerer Weg, glaube ich, aber du bist stärker, als du denkst. Du kriegst das hin.«
    »Das sagt Frau Amelung auch, ich weiß bloß nicht, wie ihr auf so was kommt. Sie, meine ich. Ist auch egal. Kann sein, dass ich in eine Klinik geh. Eine Spezialklinik. Da sind dann nur so Leute wie ich.«
    »Du meinst, nur so Hungerhaken? Das wird ja eine klapprige Angelegenheit«, frotzelte er und schlenkerte mit den Armen.
    »Nee, nee, die ganz Dicken schwabbeln da auch rum. Es klappert und quietscht also«, ging sie darauf ein.
    »Wahrscheinlich ist das sogar eine gute Idee.« Er wurde wieder ernst. »Ich kann mir vorstellen, dass ein bisschen Abstand von hier hilft.«
    »Kann aber auch sein, dass mir vom Anblick all der Dicken noch schlechter wird.«
    »Du musst kein Koloss werden, weißt du, du musst nur regelmäßig essen, ich meine, Essen bei dir behalten.«
    »Ah, jetzt hat er’s verstanden«, spottete sie. »Frau Amelung sagt, es ist der Unterschied zwischen essen und fressen, und ich wär noch längst nicht so vernagelt, dass ich das nicht hinkriegen würde.«
    »Davon bin ich überzeugt. Übrigens ist Antonia zurzeit auch in einer Klinik.«
    Jenny schwieg, so lange, dass er schon glaubte, sie sei ihm entglitten.
    »Was hat sie?«, fragte sie schließlich doch noch.
    »Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen«, antwortete er, »sie ist in der Psychiatrie.«
    »Wer erzählt denn so einen Blödsinn?«, entrüstete sie sich. »Antonia ist der ausgeglichenste Mensch, den ich je gesehen hab. Und sie ist stark, keine, die aufgibt, da bin ich mir so sicher wie nur was.«
    »Eigentlich war das auch mein Eindruck«, sagte Zinkel, »aber da haben wir uns wohl getäuscht. Kathrins Tod wird der Auslöser gewesen sein, nehme ich an, aber ich bin sicher, auch sie

Weitere Kostenlose Bücher