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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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geschlossen gewesen, und sie war sich sicher, dass nicht sie selbst dafür verantwortlich war, denn sie konnte so etwas nicht ausstehen. Kleine Macke, gab sie zu, sie schob jede Schublade automatisch zu, seit sie laufen konnte, und ganz egal, wo.
    Was hatte er nur gesucht? Wenigstens führte sie kein Tagebuch. So ein Schloss könnte er mit Sicherheit öffnen, wenn schon das Zimmerschloss kein Hindernis war. Der Typ war nicht sauber. Wieso merkte ihre Mutter das nicht? Wieso gab sie so viel auf seine Meinung? Dass sie seinetwegen ihren Job gekündigt hatte, war der totale Hammer. Beide in derselben Firma fand er nicht gut, das gebe nur Anlass zu Reibereien. So ein Blödsinn. Einer aus der Geschäftsleitung hatte im Warenlager nichts zu suchen, und die waren sich kaum je über den Weg gelaufen. Nur ganz am Anfang, als er rumgeführt worden war, hatte er es besichtigt. Ausgerechnet da war ihre Mutter in ihn hineingelaufen, schusselig, wie sie war. Wäre das nicht passiert, hätten sie ihn jetzt nicht an der Backe. Ein blöder Zufall, der dazu geführt hatte, dass aus ihrer Mutter ein Mäuschen wurde und sich ihrer beider Leben total veränderte.
    Wie die Sache mit dem Hausarrest. Das war voll gemein, zumal sie von Jenny reingelegt worden war. Aber das glaubten sie ihr nicht. Wenn der Direktor persönlich hier anruft, muss es ja schließlich stimmen. Pah! Selbst wenn es gestimmt hätte, wäre ihre Mutter ihr früher nie mit so was wie Hausarrest gekommen, sondern sie hätten einfach darüber geredet. Zusammen überlegt, was sie hätte anders machen können, damit es nicht wieder vorkam. Auf einmal galten hier völlig neue Regeln, denen sie sich absolut nicht unterwerfen wollte. Sie wusste bloß nicht, wie sie sich dagegen wehren konnte.
    Sie war sich sicher, dass es in Franks Leben Dinge gab, die er verbarg. Der Mann hatte irgendwie keine Vergangenheit, jedenfalls keine, über die er sprach. Warum hatte sie nichts über ihn finden können? Das war doch nicht normal. Wieso war der Kerl nicht in Facebook oder Wer-kennt-wen, und wenn nicht selbst, wieso wurde er dann nicht wenigstens mal erwähnt? Gut, über ihre Mutter gab es auch nichts zu finden, aber das hatte seinen Grund. Und sie konnte es verstehen, auch wenn sie das ganz bestimmt nie äußern würde.
    Nichts wäre schlimmer für ihre Mutter, als zu wissen, dass ihr Geheimnis gelüftet war. Längst schon. Sie hoffte nur, dass Frank nie Wind davon bekam. Das würde ihm noch mehr Macht über ihre Mutter geben. Wer ihr Vater war, konnte ihm egal sein, aber das andere durfte er nie erfahren. Na ja, so egal vielleicht auch wieder nicht, wenn er nämlich wüsste, dass ihre Mutter auch dies Geheimnis vor ihr bewahren wollte, dann würde ihm das ebenso zu viel Macht geben. Ihr wurde ganz schwindelig von diesem Durcheinander. Wenigstens hatte sie, ohne es richtig zu merken, aufgehört zu heulen. Sie setzte sich auf und putzte sich die Nase.
    Sie wünschte, Kathrin wäre hier. Nicht, um mit ihr über all das zu reden, das brachte sie so wenig fertig wie Kathrin, was ihre Brüder betraf. Sondern einfach nur so, für das Gefühl, nicht allein zu sein. Aber sie hatte noch immer nichts von ihr gehört, und jetzt konnte sie nicht mal aus dem Haus, um nach ihr zu suchen. Frustriert ließ sie sich wieder zurückfallen. Sie wünschte, alles wäre so wie früher, vor Frank. Sie wünschte, alles wäre wieder gut, doch das erschien ihr im Augenblick ziemlich unwahrscheinlich. Ein Märchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann – nein, hör auf damit, befahl sie sich, das gibt bloß wieder Tränen.
    Sie rollte sich herum auf den Bauch und zog ihr Handy aus der Tasche, wo sie es hatte verschwinden lassen, als Frank ihr hinterhergerufen hatte, dass sie es herausrücken solle, zum Hausarrest gehöre Kontaktverbot. Sie hatte behauptet, es in der Schule vergessen zu haben. Ein letzter Versuch, dachte sie und bat Kathrin per SMS , sich zu melden, aber bloß nicht herzukommen. Sie hielt inne, sie musste sie sehen. Wenn sie nachher in den Garten ginge, das war ja wohl noch erlaubt, könnte sie die Leiter, die noch vom Pflaumenpflücken hinter der Garage lag, dort aufstellen, dann wäre Flucht ein Kinderspiel. »Treffen nur nachts möglich«, tippte sie und drückte auf »Abschicken«, bevor sie der Mut verließ. Sie konnte nur hoffen, dass Frank einen tiefen Schlaf hatte und nichts von einem solchen Ausflug bemerken würde, aber es war an der Zeit, beschloss sie, das Schweigen zu beenden.

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