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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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beiseite, Antonia würde nie etwas tun, das sie in irgendeiner Weise belasten könnte. Wer dann?
    Der Mörder, dachte sie schaudernd. Er könnte Christians Schlüssel an sich genommen und behalten haben. Das war die einzige Erklärung. Nur – warum? Und wer hasste sie so sehr, dass er ihr erst den Mann nahm und sie dann auch noch als Täterin präsentierte? Sie grüßte Nachbarn und Kollegen, doch darüber hinaus pflegte sie keine Kontakte und kannte kaum jemanden gut genug, um ihn gegen sich aufzubringen. Seit jeher hatte sie sich von allem und allen ferngehalten, damit nur ja niemand dahinterkam, wie dumm sie war. Ein einziges Mal hatte sie ihrer Gewohnheit zuwidergehandelt, und das hatte ihr Leben so grundlegend auf den Kopf gestellt, dass sie sich geschworen hatte, nie wieder zu versuchen, es anderen gleichzutun.
    Und doch hatte sie sich damals geradezu blindlings in die Beziehung mit Christian gestürzt. Nun ja, es war wohl eher umgekehrt gewesen, er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt, wie er ihr gestanden hatte, kaum zwei Wochen nachdem sie sich bei ihm in der Stadtverwaltung angemeldet hatte. Geradezu belagert hatte er sie, was bei ihren Großeltern zu viel Heiterkeit geführt hatte. »Erhör den armen Kerl schon«, hatte ihr Großvater geraten, »er ist ein Guter.« Das stimmte. Er war so arglos gewesen, so kindlich in seiner Freude, sie hatte ihr Leben mit ihm nicht mit einer Lüge beginnen wollen, ehrlich nicht, doch als sie ihm ihre Schwangerschaft gestand, hatte er ihr einfach alle Worte weggeküsst, um anschließend jubelnd mit ihr durchs Zimmer zu tanzen, dass sie schon gefürchtet hatte, die Nachbarn würden herbeistürmen.
    Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm die Wahrheit zu sagen. Er war vom ersten Augenblick an ein so begeisterter Vater gewesen, dass sie seiner Illusion nach und nach verfallen war. Zu verlockend, die bitteren Bilder allnächtlicher Alpträume abzutun als eben das: böse Träume. Hing sein Tod womöglich damit zusammen? Hatte sie vielleicht nur die falsche Schlussfolgerung gezogen, in Ermangelung einer anderen Erklärung für sein Verschwinden? Wer wusste überhaupt, was damals vorgefallen war? Oh Gott, dachte sie, alles Türen, die sie für immer verriegelt geglaubt hatte.
    Ihre Mutter wusste es. Bei ihr hatte sie Schutz und Hilfe gesucht, obgleich sie es besser hätte wissen müssen, und natürlich war sie wieder enttäuscht worden, bitterlich, und rausgeschmissen, Augen, Herz und Tür verschlossen, wegen der Schande. Der aus dem Weg zu gehen, war der Lebensinhalt ihrer Mutter, von daher wussten vermutlich weder ihr Vater noch ihr Bruder Bescheid. Eine Tatsache, die sie nicht überprüfen würde. Sie war nachtragend, gab sie zu, trotzdem würde sie keinen Kontakt aufnehmen, es war nicht an ihr, zu kitten, was nicht zu kitten war nach all den Jahren.
    Und dann waren da noch Jasper und Hannes. Die Verursacher der elenden Misere. Was wie ein Traum begonnen hatte, eine prächtig schillernde Seifenblase, war zerplatzt in dem Augenblick, als sie danach greifen wollte, ihr Versuch am kleinen Glück nur noch Alptraum, unerbittlich wiederkehrend, trotz Antonia. Oder gerade wegen.
    Wie sagt man seinem Kind, dass es das Ergebnis einer Vergewaltigung ist? Dass, noch dazu, zwei Scheißkerle als biologische Väter in Frage kommen? Unmöglich, dachte sie, stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und ließ den Oberkörper kreisen. Sie konnte das nicht, war nicht imstande, die Vergangenheit aufzurühren um den Preis des Seelenheils ihrer Tochter. Es musste einen anderen Weg geben, sie vor dem Gefängnis zu bewahren, und wenn nicht, dann eben nicht, dann sollte es so sein.
    Es klingelte. Um diese Zeit?, wunderte sie sich. Wahrscheinlich hatte Frank seinen Schlüssel vergessen, nahm sie an, schaltete das Licht ein und eilte zur Tür.
    »Da bist du ja«, sagte sie und fügte ein »Oh« an, denn nicht Frank war es, der vor der Tür stand, sondern Kathrin. Eine ziemlich aufgelöst wirkende Kathrin.
    »Hallo, Frau Tewes, kann ich Antonia sprechen?«
    »Sicher, komm rein«, forderte sie Kathrin auf, »sie ist oben.« Sie wies auf die Treppe und blickte ihr hinterher. Das arme Kind, dachte sie, da sitze ich hier rum und bemitleide mich selbst, während es anderen offensichtlich viel schlimmer ergeht.
    »Antonia? Ich bin’s, Kathrin«, hörte sie.
    Mehr nicht. Das war seltsam. Zwar hatte Antonia vorhin gefragt, ob sie nochmals wegdürfe, aber sie hatte abgelehnt. Sie wusste nicht,

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