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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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einfach gehofft, dass es Lilian anderswo besser ergeht. Ich wusste nicht, was ich tun konnte, um sie zu finden, und habe versucht zu vergessen, dass ich eine Schwester habe.«
    »Wie soll das denn gehen?«, entfuhr es Gerrit.
    »Es geht nicht, natürlich, es rückt nur in den Hintergrund mit der Zeit. Ich bin zwei, drei Jahre später zusammengebrochen, das, was man heute Burn-out nennen würde. Ein längerer Klinikaufenthalt war die Folge, und danach bin ich zurück nach Hause, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben anstellen soll. Das Ergebnis sehen Sie, und es geht mir ausgesprochen gut damit, aber Lilian …«, er stockte, »das ist wie eine nicht heilende Wunde. Ich schäme mich dafür, nicht insistiert zu haben, und je mehr Zeit vergangen war, desto weniger hätte ich ihr das erklären können. Also habe ich alles belassen, wie es war. Bis jetzt.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Jetzt liegt es nicht länger in meiner Hand.«
    Super, dachte Marilene, bloß keine Verantwortung übernehmen. Was für ein Jammerlappen! Und das ganze Gesülze hatte sie nicht einen Schritt vorangebracht, das ärgerte sie am meisten. »Es muss doch Unterlagen geben«, sagte sie, »Lilians Arbeitsvertrag zum Beispiel. Vielleicht weiß jemand in der Firma etwas über ihren Verbleib. Gekündigt müsste sie ja haben …«
    »Stimmt«, sagte Tewes, »vielleicht könnte ich danach suchen. Ich habe zwar keinen Hausschlüssel, aber wenn ich herausbekomme, wann meine Mutter unterwegs ist, lässt Annegret mich sicher rein.«
    »Gute Idee«, stimmte Marilene zu. »Annegret ist das Dienstmädchen? Lebt sie im Haus?«
    »Nein, in einem der Nebengebäude. Gut abgeschirmt, wenn man so will. Sie hat damals nichts mitbekommen.«
    »Soweit Sie wissen.«
    »Na ja, dann hätte sie wohl kaum mich gefragt, was passiert ist. Sie hing sehr an Lilian.«
    »Dann wird sie sicherlich wissen, wo Lilian gearbeitet hat«, folgerte Marilene. »Sagen Sie mir doch ihren Nachnamen und die Telefonnummer, dann können Sie sich die Suchaktion sparen.«
    Wie aufs Stichwort gab ihr Handy Laut. Eine SMS . Gerrit ließ sich die Angaben von Tewes diktieren, das gab ihr Gelegenheit, die Nachricht aufzurufen: »Brauchen doch Anwalt. Dringend. LG Antonia«. »Mist«, sagte sie laut, Gerrits fragenden Blick ignorierend, »wir müssen zurück.«
    »Eine Sache noch.« Tewes rutschte verlegen auf seinem Platz herum. »Als mein Vater im Sterben lag, hat er viel geredet, wenn er wach war, kaum etwas Verständliches, Zusammenhänge habe ich nicht erkennen können, aber das Wort ›leer‹ fiel öfter. Ich dachte damals, er hätte sich auf das Essen, das Trinken, die Infusionen bezogen, auf sein Leben womöglich, weil er immer nahe an Tränen war, wenn das Wort fiel …«
    »Aber es gibt auch eine Stadt dieses Namens«, vollendete Marilene den Gedanken, freilich ohne preiszugeben, woher sie kam.
    »Genau! Vielleicht wollte mein Vater mir damit zu verstehen geben, dass Lilian dort lebt?«
    »Wir gehen der Sache nach«, versicherte Marilene.
    »Wegen der Erbschaft, klar. Wer ist eigentlich gestorben?«
    »Das unterliegt der Verschwiegenheitspflicht«, entgegnete sie.
    »Aber wenn Sie sie finden, könnten Sie …«
    »Falls mir das gelingt«, sagte Marilene, »werde ich Lilian Ihre Kontaktdaten übermitteln, nicht mehr. Der Rest liegt dann allein bei ihr.«

6
    Paul Zinkel lümmelte im Dunkeln auf seinem Sofa, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und starrte durchs Dachfenster auf den mondhellen Himmel, an dem wattige Wölkchen vorüberzogen, munter wie Schafe auf der Flucht vor dem Typen mit der Schermaschine. Sterne funkelten schier um die Wette, und hey, irgendwer sandte ihm gar eine Sternschnuppe, doch bevor ihm ein Wunsch einfiel, erkannte er, dass es sich um ein Flugzeug handeln musste, Schnuppen flogen doch eher selten waagerecht. Depp, schalt er sich, trotzdem, der Himmel hier schien ihm näher als in Wiesbaden, ein Gedanke, der ihm zu gut gefiel, als dass er das Phänomen etwa auf schwächere Straßenbeleuchtung zurückzuführen gedachte. Allerdings ging man hier deutlich früher zu Bett, eine Gewohnheit, der er nicht viel abgewinnen konnte.
    Etwas war faul im Hause Tewes respektive Herzog, grübelte er, doch er konnte den Finger nicht darauflegen. Es waren nicht allein die merkwürdigen Funde, eher schon die Fundorte. Selbst ein Kleinkind wäre auf bessere Verstecke gekommen. Andererseits, wenn Lilian Tewes tatsächlich ihren Christian entsorgt hatte, warum dann überhaupt

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