Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
genüsslich auf die Jackentasche, in der die Speichelprobe steckte, »haben wir ja jetzt.«
»Ich sag jetzt gar nichts mehr!«
»Das ist zweifellos besser«, stimmte Lübben ruhig zu. »Sie hören von uns, sobald die Autopsie abgeschlossen ist.« Er verließ den Raum.
Zinkel fixierte Engelbrecht aus zusammengekniffenen Augen. »Wir finden allein raus«, knurrte er schließlich und folgte Lübben.
Er fand ihn im Nebenzimmer, wo er dem Bruder die Zustimmung zur Speichelprobenentnahme zu entlocken suchte, indem er ihn gehörig rüttelte. Mehr als ein »Ah« kam nicht dabei raus. Deutungssache, fand Zinkel und packte das nächste Wattestäbchen aus. Er bedeutete Lübben, Kalle die Nase zuzuhalten, und nahm die Probe, sobald der den Mund auftat.
Sie verließen die Wohnung und polterten einvernehmlich die Treppe hinunter, statt den Fahrstuhl zu nehmen. Draußen angekommen, blieb Zinkel für einen Moment stehen und atmete tief ein und aus. Es half nicht, der üble Geschmack im Mund blieb. Dabei hatten sie das Schlimmste erst noch vor sich. Den Besuch bei Antonia. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, sie noch in der Nacht zu informieren, aber jetzt musste es sein. Er kramte nach einem Pfefferminzbonbon und schlich zum Wagen, wo Lübben bereits auf ihn wartete.
Zinkel ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Müdigkeit zerrte an seinen Augenlidern. Sie waren erst um zwei heute früh nach Hause gekommen, und da war ihm nicht nach Bett zumute gewesen. Stattdessen hatte er ein Bier runtergekippt und sich wieder aufs Sofa gelegt in der Hoffnung, der Himmel würde ihn besänftigen. Doch die Nacht war nur zäh vergangen, schien weiterhin nahebei zu lungern, denn in den frühen Morgenstunden hatte sich Nebel eingenistet, der sich noch immer nicht lichten wollte und die gestern noch so satten Farben in ein konturloses Wattegrau verwandelte. Obendrein war es ziemlich kalt geworden, dieser vorgegaukelte Sommer endgültig vorbei.
»Deprimierend«, sagte Lübben.
»Hm, hm«, pflichtete Zinkel ihm bei, einerlei, ob er das Wetter oder die Brüder meinte.
»Was hältst du davon, wenn wir die Spurensicherung nach Blutspuren im Haus Tewes suchen lassen?«
»Nach so langer Zeit noch?«
»Was bleibt uns sonst übrig? Ich glaube ja selbst nicht, dass es reichen würde, um den Tathergang zu rekonstruieren, aber wenn sie nur die winzigste Spur finden würden, könnte das die Tewes immerhin so unter Druck setzen, dass sie vielleicht doch gesteht.«
»Ja, okay, und was ist mit den Nachbarn? Ich schätze, da sollten wir doch noch hin, auch wenn ich ihr das nur ungern antue.«
»Beschützerinstinkt?«, frotzelte Lübben. »Aber ich kann dich schon verstehen.« Er bog in die Auffahrt ein und stellte den Motor ab. »Boah«, stöhnte er, »ich wünschte, wir müssten da jetzt nicht rein.«
Mussten sie nicht, Antonia stand bereits in der Tür, bemerkte Zinkel und stieg langsam aus.
Lübben schaffte es, sein Tempo noch zu unterbieten. »Kennst du den?« Er deutete auf einen winkenden Vermummten, der rasch näher kam.
Zinkel wollte schon verneinen, doch da streifte der andere die Kapuze vom Kopf. »Alte Heimat«, erläuterte er, »wie auch die Anwältin, die Frau Tewes vertreten wird. Beide waren gestern Abend hier im Haus.«
»Ach ja?« Lübben musterte Gerrit wohlwollend, er schien zu überlegen, ob er nützlich sein könnte.
»Hallo, Paul«, sagte Gerrit und reichte ihm die Hand. »Ihr habt sie, oder?«, fragte er bauchredend.
Zinkel nickte knapp. Wenn er mit dem Jungen per Du war, überlegte er, dann vermutlich auch mit der Anwältin. »Mein Kollege Enno Lübben«, stellte er vor, »das ist Gerrit Baron.«
»Das ist hart, soll ich das machen?«
»Warum nicht?« Lübben war offensichtlich dankbar. »Vielleicht finden Sie die besseren Worte.« Sein Handy klingelte, und er beeilte sich wie selten, das Gespräch anzunehmen.
Gerrit wandte sich zur Tür.
Es brauchte überhaupt keine Worte. Antonias Gesicht spiegelte jeden einzelnen Gedanken: Die Freude, Gerrit zu sehen, wich der Erkenntnis, dass der viel zu ernst war, um gute Nachrichten zu bringen; nein, das konnte nicht sein, zweifelte sie noch, und warf einen flehentlichen Blick zu Zinkel; nicht weinen, beschwor sie sich krampfhaft, doch die Tränen flossen schon, löschten auch das letzte Aufblitzen von Hoffnung aus ihren Augen.
»Was?!«, rief Lübben.
Zinkel drehte sich nach ihm um.
»Das glaube ich nicht«, sagte der nun und kam kopfschüttelnd auf sie zu.
»Aha – okay
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