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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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… Ja, ich verstehe«, ging es kryptisch weiter, bis er endlich das Gespräch beendete. »Also, ehrlich gesagt, verstehe ich das überhaupt nicht«, sagte er. »Kathrin soll sich nicht selbst umgebracht haben. Sie wurde ermordet.«
    »Was?!«, ertönte es dreistimmig.
    »Kein Zweifel?«, hakte Zinkel nach.
    »Angeblich nicht.«
    * * *
    Für einen Augenblick verspürte Lilian herzjagende Erleichterung. Nicht sie war für Kathrins Tod verantwortlich, sondern ein böser Mensch, der eine Notlage ausgenutzt hatte, irgendein Fremder, ein Triebtäter, was auch immer. Alles würde wieder gut werden, und niemand, aber auch niemand brauchte zu erfahren, dass sie nicht lesen konnte.
    Dann schlug die Scham über ihr zusammen, eine Welle, die sie wie immer in die Tiefe riss, tiefer als sonst sogar. Unmöglich, so zu denken, haderte sie. Ihre Tochter hatte ihre allerbeste Freundin verloren, und sie war nur auf ihr eigenes Wohlergehen bedacht? Sie spürte, wie sie errötete, und fächelte sich mit der Hand Luft zu, eine Geste, die zu ihr gehörte wie zu einer Frau in den Wechseljahren. All die Ausflüchte, die fadenscheinigen Begründungen für ihr Unvermögen, sie war sie so unendlich leid. Von daher war sie eigentlich froh, dass Antonia und sie nun offen miteinander umgehen konnten. Fast offen.
    Oh Gott, schon wieder kreisten alle ihre Gedanken um sie selbst. Aber, erkannte sie zum ersten Mal, das war ja genau das, was sie ihr Leben lang getan hatte: Jeden wachen Moment hatte sie auf der Hut sein müssen, ihren Makel zu verbergen. Sogar im Schlaf hatte sie oft nicht abschalten können. Erbärmlich. Schluss damit. Zumindest vor Antonias Reaktion brauchte sie keine Angst mehr zu haben. Und Frank? Ach was, sie würde Lesen lernen, das hatte sie sich gestern Abend hoch und heilig geschworen, und bestimmt ginge das schneller und leichter, als sie sich das vorstellen konnte. Frank brauchte nichts davon zu erfahren. Das Risiko, dass er sie für dumm hielt, würde sie nicht eingehen. Sie war nicht dumm. Sie war bloß dämlich. Vor allem, weil sie ihrer eigenen Tochter nicht vertraut hatte. Ihrer Tochter, die jämmerlich weinte.
    Sie trat hinter der Tür hervor und legte die Arme um sie. »Ist ja gut«, murmelte sie, »ich bin da.«
    »Nichts ist gut!«, kreischte Antonia und schlug ihre Arme fort. »Wissen Sie, wer das getan hat?«
    Die Polizisten und der Junge gaben keinen Ton von sich und rührten sich auch nicht vom Fleck. Als wäre ein Film stehen geblieben, dachte Lilian, ein Film, den sie ohnehin nicht hatte sehen wollen.
    »Ich schon«, Antonias Stimme war ein gefährliches Knurren, »und ich bring ihn um.«
    »Na komm«, sagte der Junge beschwichtigend, »lass die Polizei ihre Arbeit machen, die kriegen den schon.« Er kam so vorsichtig näher, als hätte er Angst, auf eine Mine zu treten. »Kathrin würde bestimmt nicht wollen, dass du dich in Schwierigkeiten bringst, meinst du nicht auch?«
    Antonia nickte zwar nicht direkt, aber sie senkte den Kopf. Ein Anfang vielleicht, hoffte Lilian und hielt selbst lieber den Mund, um nicht noch einmal zurückgewiesen zu werden.
    »Magst du ein Stück laufen, bisschen reden?«, fragte der Junge.
    Das nun war eindeutig ein Nicken. »Geht das denn?«, erkundigte sie sich bei den Polizisten.
    »Geht schon, aber ich müsste mitkommen, ich hab ein paar Fragen an dich«, sagte der, der Antonias Zimmer durchsucht hatte, und schaute seinen Kollegen fragend an.
    »Mach nur, ich kümmere mich um den Rest«, antwortete der.
    Welchen Rest? Lilian verspürte einen Anflug von Panik. Ein Auto kam in die Einfahrt gefahren, und sie blickte auf, augenblicklich erleichtert, als sie erkannte, dass es sich um Frank handelte. Er sprang regelrecht aus dem Wagen, offensichtlich in großer Eile, denn er hatte den Motor angelassen. Lilian sank der Mut.
    Frank stürzte zu Antonia, ohne von ihr oder den anderen Notiz zu nehmen. »Dann ist sie also tot?«, fragte er, als er ihr verweintes Gesicht sah. »Wie schrecklich. Für dich vor allem, es tut mir so leid.« Er zog sie an sich.
    Antonia ließ es geschehen. »Sie ist ermordet worden.« Ihre Stimme klang erstickt.
    »Was? Ich dachte – aber – oh Mann, das gibt’s doch gar nicht!« Er schaute hektisch auf seine Uhr, zu den Polizisten und wieder auf die Uhr. »Ich kann nicht bleiben, leider. Kommst du zurecht? Heute Abend können wir reden, geht das?«
    »Sicher«, murmelte Antonia gegen seine Brust.
    »Das ist mein Mädchen«, sagte er, strich ihr kurz übers

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