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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Händen.
     
     
    Unversehens ließ mich etwas die Augen aufschlagen. Ich spürte Kälte und einen schneidenden Wind im Gesicht. Das Fenster stand offen, und der Regen besprengte mein Zimmer. Verdutzt richtete ich mich auf und tastete nach der Nachttischlampe. Umsonst drückte ich auf den Schalter. Kein Strom. Und in diesem Moment merkte ich, dass sich die Zeichnung, mit der ich eingeschlafen war, weder in meinen Händen befand noch auf dem Bett oder dem Boden lag. Verständnislos rieb ich mir die Augen. Auf einmal nahm ich ihn wahr, intensiv und durchdringend. Diesen Fäulnisgestank. In der Luft. Im Zimmer. An meinen eigenen Kleidern, als hätte mir jemand die Leiche eines verwesenden Tiers über die Haut gerieben, während ich schlief. Ich kämpfte gegen den Brechreiz an, und einen Augenblick später befiel mich tiefste Panik. Ich war nicht allein. Jemand oder etwas war unbemerkt durchs Fenster eingedrungen.
    Langsam tastete ich mich die Möbel entlang zur Tür und versuchte die Deckenbeleuchtung einzuschalten. Nichts. Ich schaute auf den Korridor hinaus, der sich im Dunkeln verlor. Erneut und diesmal noch penetranter roch ich den Gestank. Die Spur eines wilden Tiers. Auf einmal glaubte ich einen Schatten ins hinterste Zimmer treten zu sehen.
    »Doña Paula?«, wollte ich rufen, aber ich brachte nur ein Flüstern zustande.
    Die Tür schloss sich sanft. Ich atmete kräftig ein und betrat verwirrt den Gang. Als ich zischend wie von einem Reptil ein Flüstern hörte, blieb ich stehen. Es war ein Wort. Mein Name. Die Stimme schien aus dem geschlossenen Zimmer zu kommen.
    »Doña Paula, sind Sie es?«, stammelte ich und versuchte das Zittern unter Kontrolle zu bringen, das meine Hände immer stärker befiel.
    Ich tat einen Schritt in die Dunkelheit hinein. Die Stimme wiederholte meinen Namen – es war eine Stimme, wie ich sie noch nie gehört hatte, eine gebrochene, grausame und vor Bosheit blutende, eine Albtraumstimme. Ich war in diesem Schattengang gestrandet, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren. Auf einmal wurde die Tür des Zimmers mit roher Kraft aufgestoßen. Eine unendliche Sekunde lang hatte ich das Gefühl, der Gang verenge sich, ziehe sich zu meinen Füßen zusammen und reiße mich zu dieser Tür hin.
    Mitten im Raum, auf dem Bett, erkannte ich ganz deutlich etwas Helles. Es war Marinas Porträt, mit dem ich eingeschlafen war. Zwei hölzerne Hände, Marionettenhände, hielten es fest. Aus den Rändern der Handgelenke ragten blutige Kabel. Schlagartig war mir klar, dass das die Hände waren, die Benjamín Sentís in den Tiefen der Kanalisation verloren hatte. Mit Stumpf und Stiel ausgerissen. Ich spürte, wie die Luft aus meinen Lungen wich.
    Der Gestank wurde unerträglich, sauer. Und mit der Klarsichtigkeit der Angst entdeckte ich die Figur an der Wand, die reglos dort hing, ein schwarzgekleidetes Wesen mit gekreuzten Armen. Wirre Haare verhüllten das Gesicht. Von der Tür aus sah ich, wie sich dieses Gesicht unendlich langsam hob und mit einem Lächeln im Halbdunkel blitzende Eckzähne entblößte. In den Handschuhen begannen sich Klauen wie Schlangenbündel zu bewegen. Ich trat einen Schritt zurück und hörte wieder meinen geflüsterten Namen. Wie eine riesige Spinne kam die Figur auf mich zu.
    Mit einem Aufheulen schmetterte ich die Tür zu. Ich versuchte sie zu blockieren, verspürte aber einen brutalen Schlag. Im Holz erschienen zehn messergleiche Fingernägel. Ich rannte los ans andere Ende des Gangs und hörte, wie die Tür zersplitterte. Der Korridor war zu einem endlosen Tunnel geworden. Schließlich erspähte ich in einigen Metern Entfernung die Treppe und schaute zurück. Die Höllengestalt kam direkt auf mich zu. Der Glanz ihrer Augen durchbohrte die Dunkelheit.
    Ich stürzte die Treppe hinunter und auf den Gang zu, der zu den Küchen führte. Zum Glück kannte ich sämtliche Winkel meiner Schule im Schlaf. Ich verschloss hinter mir die Tür. Vergeblich. Die Kreatur stürzte sich auf sie und riss sie nieder, so dass ich zu Boden geworfen wurde. Ich rollte über die Fliesen und suchte unter dem Tisch Zuflucht. Ich sah Beine. Um mich herum zerschellten Dutzende Teller und Gläser zu einem Scherbenteppich. Zwischen den Splittern erblickte ich ein gezacktes Messer, das ich verzweifelt packte. Die Gestalt kniete vor mir nieder wie ein Wolf vor einem Kaninchenbau. Ich stieß das Messer diesem Gesicht entgegen, und die Klinge versank darin wie in Lehm. Die Gestalt zuckte einen halben Meter

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