Marina.
das Symbol des schwarzen Schmetterlings. Dunkle Samtvorhänge verhüllten die Fenster. Ich fragte mich, ob sie wohl drin sitze.
Der Kutscher ging aufs Gittertor zu und starrte in den Friedhof herein. Reglos presste ich mich an die Statue. Dann hörte ich das Rasseln eines Schlüsselbundes und das metallische Klicken eines Vorhängeschlosses. Ich fluchte leise. Die Eisenstäbe schepperten. Schritte im Morast. Der Kutscher kam auf mein Versteck zu. Ich musste hier weg. Ich wandte mich um und erforschte den Friedhof hinter mir. Der schwarze Wolkenschleier riss auf. Für einen Augenblick zeichnete der Mond einen Pfad gespenstischen Lichts, und die Gräbergalerie glänzte im Dunkeln. Ich watete zwischen Grabsteinen ins Innere des Friedhofs, bis ich zu einem von Türchen aus Schmiedeeisen und Glas verschlossenen Mausoleum gelangte. Unaufhaltsam näherte sich der Kutscher. Ich hielt den Atem an und versank in den Schatten. Mit erhobener Laterne ging er in einem Abstand von weniger als zwei Metern an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Ich seufzte und sah ihn auf das Zentrum des Friedhofs zugehen – sogleich wusste ich, wohin es ihn zog.
Es war Wahnsinn, doch ich folgte ihm. Mich zwischen Grabsteinen versteckend, ging ich bis zum Nordteil des Gevierts. Dort stieg ich auf eine Plattform, von wo aus alles zu überblicken war, soweit es die Dunkelheit erlaubte. Zwei Meter unter mir leuchtete die Laterne des Kutschers, die er an das namenlose Grab gelehnt hatte. Das Regenwasser rann über den in den Stein gemeißelten Schmetterling wie Blut. Der Kutscher beugte sich übers Grab, zog einen länglichen Gegenstand unter seinem Cape hervor, eine Metallstange, und begann mit ihr zu hantieren. Mir stockte der Atem, als mir klarwurde, was er vorhatte. Er wollte das Grab öffnen. Am liebsten wäre ich weggelaufen, aber ich durfte mich nicht bewegen. Mit der Stange als Hebel gelang es ihm, die Grabplatte einige Zentimeter zu verrücken. Langsam tat sich der schwarze Schacht des Grabes auf, bis die Platte durch ihr eigenes Gewicht zur Seite fiel und entzweibrach. Unter meinem Körper spürte ich die Vibration des Aufpralls. Der Kutscher nahm die Laterne vom Boden auf und hob sie über den zwei Meter tiefen Schacht. Ein Aufzug zur Hölle. Zuunterst leuchtete der Deckel eines schwarzen Sarges. Der Kutscher schaute zum Himmel hinauf und sprang unversehens ins Grab hinunter. In einem einzigen Augenblick war er wie vom Erdboden verschluckt. Ich hörte Schläge und das Zersplittern morschen Holzes. Ich sprang von meinem Posten, robbte Millimeter um Millimeter im Schlamm an den Grabesrand heran und schaute hinunter.
Der Regen prasselte ins Grab, dessen Boden unter Wasser stand. In diesem Moment zerrte der Kutscher am Sargdeckel, der krachend zur Seite fiel. Das faulige Holz und das abgewetzte Tuch lagen im Licht. Der Sarg war leer. Reglos starrte der Mann hinein. Ich hörte ihn etwas murmeln und wusste, dass ich schleunigst abhauen musste. Dabei brachte ich jedoch einen Stein ins Kullern, er fiel ins Grab und prallte auf den Sarg. In einer Zehntelsekunde wandte sich der Kutscher mir zu. In der Rechten hielt er einen Revolver.
Gräbern und Statuen ausweichend, rannte ich verzweifelt dem Ausgang zu. Hinter mir hörte ich den Kutscher rufen, während er aus dem Grab kletterte. Schon sah ich das Gittertor und dahinter das Fuhrwerk. Atemlos rannte ich darauf zu. Die Schritte des Kutschers kamen näher. Mir wurde klar, dass er mich auf offenem Gelände in Sekundenschnelle eingeholt haben würde. Ich erinnerte mich an die Waffe in seiner Hand und schaute mich panisch nach einem Versteck um. Das Einzige, was in Frage kam, war der Kofferkasten hinten am Fuhrwerk, und ich betete, dem Kutscher möchte es nicht einfallen, dort nachzuschauen. Ich sprang hinauf und warf mich kopfüber hinein. Wenige Sekunden später hörte ich des Kutschers hastige Schritte den Zypressenkorridor erreichen.
Ich stellte mir vor, was seine Augen sahen – den leeren Weg im Regen. Die Schritte hielten inne. Gingen ums Fuhrwerk herum. Ich fürchtete, verräterische Spuren hinterlassen zu haben. Ich spürte, wie der Kutscher auf den Bock kletterte, und blieb liegen, ohne mich zu rühren. Die Pferde wieherten. Das Warten wurde unerträglich. Dann hörte ich die Peitsche knallen, und ein Ruck warf mich in den hinteren Teil des Kastens. Wir setzten uns in Bewegung.
Das Holpern wurde bald zu einem harten, heftigen Vibrieren, das auf meine von der Kälte versteinerten
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