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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Schlängelpfad zum Wasser führte. Spontan drückte er seine Aktentasche dem Fahrer in die Hand und schlenderte allein den Weg entlang. Eine Bank bot sich an, und er nahm darauf Platz. Es dämmerte schon. Hamburgs blaue Stunde hob an. Sinnend blickte er auf die dunkelnde Wasserfläche und die Lichter der Stadt, die ringsumher aufleuchteten. Einen Augenblick hatte ihm vorhin das Gewissen geschlagen: ein Dieb, der plötzlich das Gefühl hat, die falsche Person bestohlen zu haben. Mit einem Kopfschütteln überwand er den Durchhänger, zog aus einer Tasche seines Anzugs ein Mobiltelefon und gab Michael Axelrods Direktanwahl ein.
    »Ja, Günther?«
    »Die Briten wollen dasselbe wie wir«, sagte er. »Ohne uns.«
    * * *
    Ein liebenswürdigerer Anrufer als Ian Lantern war kaum denkbar, Brue konnte es nicht anders sagen. Er war voll der Entschuldigungen, er hatte tiefstes Verständnis dafür, daß Tommys Terminkalender aus allen Nähten platzte, und unter normalen Umständen würde es ihm nicht im Traum einfallen, so zu insistieren, nur saß ihm dummerweise London im Nacken.
    »Deutlicher kann ich auf der unverschlüsselten Leitung leider nicht werden, Tommy. Ich muß Sie unter vier Augen sprechen, und zwar am besten vorgestern. Eine Stunde sollte ausreichen. Sagen Sie mir nur, wo und wann.«
    So leicht ließ sich Brue nun nicht überrollen. »Hat es vielleicht mit der Angelegenheit zu tun, die wir bei unserem Mittagessen schon andiskutiert hatten?« hakte er nach, kampfbereit.
    »Indirekt. Um ein paar Ecken. Die Vergangenheit erhebt wieder ihr häßliches Haupt. Aber nichts Bedrohliches. Nichts, das irgendwen reinreitet. Für Sie sogar eher das Gegenteil. Eine Stunde, und Sie sind mich los.«
    Aufatmend konsultierte Brue seinen Kalender, auch wenn dazu keine Notwendigkeit bestand. Mittwoch war Mitzis Opernabend. Sie und Bernhard hatten zusammen ein Abonnement. Für Brue hieß das Reste aus dem Kühlschrank oder ein Essen und eine Runde Billard im Anglo-German Club: mittwochs konnte er es sich aussuchen.
    »Viertel nach sieben bei mir zu Hause – paßt Ihnen das?« Er wollte Lantern die Adresse geben, doch der fiel ihm ins Wort.
    »Wunderbar, Tommy. Schlag viertel bin ich da.«
    Und das war er. Mit einem Chauffeur, der im Wagen wartete. Und Blumen für Mitzi. Und diesem verfluchten immer gleichen Lächeln im Gesicht, während er an seinem Mineralwasser mit Eis und Zitrone nippte.
    »Nein, ich stehe lieber, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, meinte er leutselig, als Brue ihm einen Stuhl anbot. »Nach drei Stunden Autobahn tut es ganz gut, sich ein bißchen die Beine zu vertreten.«
    »Sie sollten es mit Zugfahren probieren.«
    »Tja, das nehme ich mir auch immer vor.«
    Also blieb Brue ebenfalls stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, mit der höflich gezügelten Ungeduld des vielbeschäftigten Mannes (so hoffte er), der im eigenen Haus behelligt wird und dafür eine Erklärung erwartet.
    »Wie gesagt, Tommy, die Zeit drängt, deshalb beschreibe ich Ihnen erst mal die Klemme, in der Sie stecken, und dann können wir uns vielleicht mit der Klemme befassen, in der wir stecken. Einverstanden?«
    »Wie Sie wollen.«
    »Mein Gebiet ist übrigens Terrorismus. Das hatten wir bei unserem Essen gar nicht erwähnt, kann das sein?«
    »Das hatten wir nicht erwähnt, stimmt.«
    »Ach ja, und keine Sorge wegen Mitzi. Sollten sie und ihr Freund in der Pause die Nase voll haben, sagen meine Jungs uns sofort Bescheid. Wollen Sie sich nicht doch setzen und Ihren Whisky austrinken?«
    »Danke, ich bin ganz zufrieden so.«
    Lantern schien darüber enttäuscht, ließ sich aber nicht beirren.
    »Kein schönes Gefühl, das können Sie mir glauben, Tommy, von meinem deutschen Kollegen erfahren zu müssen, daß Sie nicht nur sehr wohl von Issa Karpow gehört, sondern sich auch noch im Beisein von Zeugen eine halbe Nacht mit ihm um die Ohren geschlagen haben! Das hat uns doch arg dumm dastehen lassen. Ich meine, es ist ja nicht so, als hätten wir Sie nicht gefragt!«
    »Sie wollten, daß ich Ihnen Bescheid sage, falls er Anspruch auf sein Erbe erhebt. Das war nicht der Fall und ist es bis heute nicht.«
    Lantern nahm Brues Antwort hin, wie der Respekt vor dem Älteren es gebot, aber es war deutlich zu merken, daß sie ihn nicht zufriedenstellte. »Es gab einfach einen Haufen Informationen, die Sie hatten und die wir sehr gut hätten brauchen können. Dann hätten wir die Nase vorn gehabt in dem Rennen, statt kläglich

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