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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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liebsten seinen Fisch aß? Und welche Fäden man ziehen mußte, damit Mario das La Scala an einem Montag mittag öffnete?
    Oder wollte er zeigen, daß er nicht Bescheid wußte – über Mitzis Opernabend mit ihrem Gspusi, über den er natürlich genauestens informiert war; aber gut, nach der Logik seines Metiers war Wissen das, was man vorgab, nicht zu wissen. Daher die Demonstration seines Nichtwissens.
    Und Annabel? Oh, die ist auch mächtig in der Bredouille.
    Brue war nicht in der Stimmung, irgendeiner Aussage von Lantern Glauben zu schenken, aber das glaubte er ihm aufs Wort. Vier Tage und Nächte überlegte er jetzt schon hin und her, wie er unauffällig Kontakt zu ihr aufnehmen könnte: durch ein paar Zeilen, die der Frères-Kurier bei Fluchthafen Hamburg ablieferte, durch eine unverbindliche Nachricht auf ihrer Mailbox im Büro oder ihrem Handy?
    Aber aus dem von Lantern so lebhaft beschworenen Feingefühl oder aus schlichter Feigheit, je nachdem, wie man es auslegen wollte, hatte er sich immer wieder zurückgehalten. Dennoch ertappte er sich im Büro viele Male dabei, wie er, statt seine grauen Zellen der Hochfinanz zu widmen, mit dem Kinn in der Hand dasaß und durchdringend das Telefon anstarrte, auf daß es endlich klingeln möge. Umsonst.
    Und jetzt war sie in Schwierigkeiten, genau wie er befürchtet hatte. Und keine noch so aalglatten Versicherungen Lanterns konnten ihm weismachen, daß sie ungeschoren davonkommen würde. Der Zorn lieferte ihm endlich den so lange gesuchten Grund, sie anzurufen. Zum Teufel mit Lantern! Ich habe hier eine Bank zu leiten. Und einen Scotch auszutrinken. In einem Zug stürzte er ihn hinunter und wählte über das Festnetz ihre Nummer.
    »Frau Richter?«
    »Ja?«
    »Hier ist Brue. Tommy Brue.«
    »Hallo, Mr. Brue.«
    »Störe ich gerade?«
    Nach ihrer dürren Stimme zu urteilen, sogar sehr.
    »Nein, schon in Ordnung.«
    »Ich dachte, ich sollte kurz durchrufen, und zwar aus zwei Gründen. Wenn Sie eine Minute Zeit haben, heißt das. Paßt es Ihnen jetzt wirklich?«
    »Ja. Sicher. Kein Problem.«
    Haben sie sie unter Drogen gesetzt? Sie gefesselt? Einer Gehirnwäsche unterzogen? Gibt ihr jemand die Antworten vor?
    »Mein erster Grund – ins Detail gehen möchte ich am Telefon lieber nicht, wie Sie sich sicher denken können: Kürzlich ist ein Scheck ausgestellt worden. Er scheint nirgends eingelöst worden zu sein.«
    »Die Sachlage hat sich verändert«, sagte sie nach einer endlosen Pause.
    »Ach ja? Inwiefern?«
    »Wir haben uns für eine andere Vorgehensweise entschieden.«
    Wir? Du und wer noch? Du und Issa? Brue hatte bisher nicht den Eindruck gehabt, daß Issa in den Entscheidungsprozeß eingebunden war.
    »Aber sich zum Besseren verändert, hoffe ich doch«, meinte er optimistisch.
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Man schaut eben, was funktioniert.« Der gleiche ausdruckslose Ton, eine Stimme aus dem Abgrund. »Möchten Sie, daß ich ihn zerreiße? Ihn zurückschicke?«
    »Nein, nein 1 .« – zu stürmisch, halt dich zurück –, »ich meine, wenn irgendeine Chance besteht, daß Sie ihn vielleicht doch noch brauchen, behalten Sie ihn unbedingt. Lösen Sie ihn einfach ein, wirklich, auch wenn die Sache sozusagen noch in der Schwebe ist. Und sollten Sie einen Teil davon tatsächlich nicht brauchen, können Sie ihn immer noch irgendwann zurückzahlen.« Er zögerte, unschlüssig, ob er es überhaupt wagen sollte, den zweiten Grund anzusprechen. »Und in der anderen Finanzfrage? Zeichnet sich da irgendeine Entwicklung ab?«
    Keine Antwort.
    »Ich meine, hinsichtlich des Anspruchs, den unser Freund anmelden wollte.« Er versuchte es mit Humor. »Dieses Dressurpferd, über das wir gesprochen hatten. Plant unser Freund, es zu übernehmen?«
    »Darüber kann ich im Moment nichts sagen. Ich muß erst noch einmal mit ihm reden.«
    »Rufen Sie mich dann an?«
    »Vielleicht, wenn ich es ausführlicher mit ihm besprochen habe.«
    »Und bis dahin lösen Sie den Scheck ein?«
    »Vielleicht.«
    »Und Ihnen geht es gut? Keine Schwierigkeiten? Probleme? Nichts, wobei ich unter Umständen helfen kann, meine ich?«
    »Mir geht es gut.«
    »Sehr schön.«
    Langes Schweigen beiderseits, bei ihm aus ohnmächtiger Besorgnis heraus, bei ihr aus einem scheinbar unendlichen Desinteresse.
    »Dann setzen wir uns bald mal zusammen und reden?« schlug er vor, in dem zuversichtlichsten Ton, dessen er noch fähig war.
    Vielleicht ja, vielleicht nein. Sie hatte aufgelegt. Jemand hat

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