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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hinterherzuhinken.«
    »Was für ein Rennen?«
    Lanterns Lächeln bekam etwas Bedauerndes. »Kein Kommentar, tut mir leid. In unserer Branche muß nicht jeder über alles Bescheid wissen.«
    »In meiner auch nicht.«
    »Wir haben eine kleine Motivstudie bei Ihnen vorgenommen, Tommy. Wir und London. Ihr familiärer Hintergrund, Ihre Tochter aus erster Ehe – Georgie heißt sie, nicht wahr? Tochter von Sue? Niemand konnte so ganz begreifen, warum Sie beide sich getrennt haben. Traurig, so was, finde ich immer. Fast eine Art Tod, finde ich, Scheidungen, die vermeidbar gewesen wären. Meine Eltern sind jedenfalls nie drüber hinweggekommen. Und ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Gut, aber sie ist schwanger, was ja erfreulich ist. Georgie, meine ich. Sie müssen überglücklich sein.«
    »Was faseln Sie da für ein Zeug? Kümmern Sie sich gefälligst um Ihren eigenen Mist!«
    »Wir versuchen doch nur dahinterzukommen, warum Sie gar so unkooperativ waren, Tommy, und was Sie hier zu schützen versuchen. Oder wen. Geht es ihm nur um die eigene Haut? haben wir uns gefragt. Oder um Brue Frères? Ist es der junge Karpow – hat er an ihm einen Narren gefressen, in welcher Form auch immer? Ich meine, Sie haben das Blaue vom Himmel heruntergelogen, Tommy. Wir sind Ihnen allen Ernstes auf den Leim gegangen. Insofern, Chapeau!«
    »Als ob Sie beide so großzügig mit der Wahrheit gewesen wären.«
    Das überhörte Lantern geflissentlich. »Allerdings«, fuhr er munter fort, »nachdem wir uns dann die reichlich trübe Finanzsituation von Brue Frères angesehen und grob überschlagen hatten, wie viel der alte Karpow beiseite gebracht haben muß, hatten wir das Gefühl, Sie schon besser zu verstehen: Ah, darum geht es Tommy also! Er hofft, die Millionen des alten Karpow werden ihm einen bequemen Lebensabend sichern. Kein Wunder, daß er keinen gesteigerten Wert darauf legt, daß jemand Anspruch auf sie erhebt. Möchten Sie sich dazu äußern?«
    »Sagen wir doch gleich, Sie haben recht«, fuhr Brue ihn an. »Und dann scheren Sie sich endlich raus hier!«
    Lanterns jungenhaftes Lächeln wurde noch eine Spur mitfühlender. »Kann ich nicht, Tommy, so leid’s mir tut. Genausowenig wie Sie, wenn Sie verstehen, was ich meine. Abgesehen davon, daß ja offenbar auch noch eine junge Dame in den Fall verstrickt ist.«
    »Dummes Zeug. Was für eine junge Dame denn? Kompletter Blödsinn. Es sei denn, Sie meinen die Anwältin des Jungen, Frau« – verzweifelt tat er so, als würde er sein Hirn durchforsten »Frau Richter. Sie spricht Russisch. Stellt den Asylantrag für ihn et cetera.«
    »Ein richtiges Sahneschnittchen, was man so hört. Wenn man kleine Frauen mag, und das tu ich.«
    »War mir gar nicht aufgefallen. Ich fürchte, in meinem Alter ist mein Blick für die Damenwelt nicht mehr das, was er mal war.«
    Lantern schlenderte zum Sideboard, so als müsse er erst einmal darüber nachdenken, was Brue gerade jetzt zu dieser abwertenden Bemerkung über sein Alter veranlaßte, und goß sich in größter Gemütsruhe von dem Mineralwasser nach.
    »Tja, das ist also Ihr kleines Problem, Tommy, auf das ich zu gegebener Zeit noch zurückkommen werde. Bis dahin würde ich Ihnen gern mein Problem darlegen, das dank Ihnen leider nicht viel geringer ist. Darf ich?«
    »Dürfen Sie was?«
    »Sag ich doch gerade: Ihnen erklären, wie tief wir Ihretwegen in der Scheiße stecken. Hören Sie zu oder nicht?«
    »Natürlich höre ich zu.«
    »Gut. Weil ich nämlich morgen früh Punkt neun an einer hochgeheimen Besprechung teilzunehmen habe, hier in Hamburg, bei der extrem viel Feingefühl erforderlich sein wird und bei der es um keinen anderen als Issa Karpow geht, von dem Sie behauptet haben, Sie hätten ihn im Leben noch nicht gesehen. Was eine Lüge war.«
    Er schien ein anderer geworden: ein Schulmeister, dem man nicht widersprach, ein Napoleon, dessen Stimme unvermutet nach einzelnen Worten ausschlug wie ein verstimmtes Klavier nach seinen Tönen.
    »Und bei dieser Besprechung, Tommy, wo ich dank Ihnen einigermaßen mit dem Rücken zur Wand stehen werde, ist es unabdingbar, daß ich – daß meine Behörde –, daß wir alle, die wir in dieser außerordentlich viel Feingefühl erfordernden Situation das Richtige zu tun versuchen – London, Deutschland plus einige andere Dienste, die ich an dieser Stelle nicht namentlich aufzählen werde sicher sein können, daß Sie, Mr. Tommy Brue von Brue Frères, als guter britischer Patriot und

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