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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Lipizzaner-Systems?«
    »Niemand sollte sich für Mr. Findlay interessieren. Mr. Findlay sollte auf alle Zeit und Ewigkeit der Vergessenheit überantwortet werden, das sollte mit unserem Mr. Findlay passieren.« Ihre Stimme hatte einen bitterbösen Märchenton angenommen. »Mr. Findlay sollte in Stücke gehackt und in einem Kessel gekocht werden, bis er gar ist]«
    Die plötzliche Heftigkeit, mit der dieses Verdikt erging, bestätigte Bachmann, was er schon seit einer Weile argwöhnte: Zwar mochten sie englischen Tee aus zarten Porzellantäßchen auf einem Silbertablett trinken, mit silbernem Teesieb, silbernem Milchkännchen und einem silbernen Krug mit heißem Wasser, und dazu gesittet selbstgebackenes schottisches Shortbread knabbern, aber die Dünste, die ihn von Zeit zu Zeit in ihrem Atem anwehten, stammten von etwas weit Stärkerem als Tee.
    »So schlimm war er?« staunte Bachmann. »Hackt ihn in Stücke. Gebt ihm Saures.« Aber sie war wieder in ihre Erinnerungen abgedriftet, so daß er ebensogut Selbstgespräche hätte führen können. »Wobei ich Sie bestens verstehen kann. Wenn jemand meinen Chef übers Ohr hauen würde, würde mich das auch ziemlich wütend machen. Man mag nicht gern zusehen, wie der eigene Arbeitgeber hinters Licht geführt wird.« Keine Reaktion. »Trotzdem, er muß schon eine ziemliche Type gewesen sein, dieser Mr. Findlay. Nicht wahr? Jemand, der es schafft, Mr. Edward vom Pfad der Tugend wegzulocken – ihn mit russischen Gaunern wie Karpow und seinem Deichsler vom Dienst zusammenzubringen …«
    Er hatte sie am Wickel.
    »Findlay war ganz und gar keine Type, danke vielmals!« widersprach Frau Ellenberger wütend. »Er war nicht mal ein Mensch. Mr. Findlay war ein einziges Flickwerk von Wesenszügen, die er sich von anderen zusammengestohlen hatte!« Worauf sie hastig die Hand vor den Mund klappte.
    »Wie sah er denn aus, dieser Findlay? Einfach in ein paar Stichworten: Mr. Findlay.«
    »Glatt. Böse. Blankpoliert. Trockene Nase.«
    »Wie alt?«
    »Vierzig. Hat er jedenfalls behauptet. Aber sein Schatten war viel, inel älter.«
    »Größe? Allgemeines Aussehen? Irgendwelche besonderen Merkmale, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?«
    »Zwei Hörner, ein langer Schwanz und ein extrem starker Schwefelgeruch.«
    Bachmann schüttelte beeindruckt den Kopf. »Der Mann scheint echt ein rotes Tuch für Sie zu sein.«
    Frau Ellenberger durchlief eine weitere ihrer jähen Metamorphosen. Sie setzte sich kerzengerade auf, schürzte die Lippen und fixierte ihn mit tadelndem Blick. »Wenn man gezielt ausgeschlossen wird, Herr Schneider, wenn einem jeder Zugang verwehrt wird – zu einem Mann, dem Sie sich emotional verbunden fühlen, dem Sie sich in Ihrer ganzen Weiblichkeit offenbart haben – ist es ja wohl nicht unbillig, den dafür Verantwortlichen mit Abscheu und Argwohn zu betrachten, um so mehr, wenn er der Verführer und Verderber Ihres … von Mr. Edwards beruflicher Integrität ist.«
    »Sind Sie ihm oft begegnet?«
    »Einmal, und dieses eine Mal war mehr als ausreichend, um mir ein Urteil zu bilden. Er ließ sich einen Termin geben wie ein ganz normaler potentieller Kunde. Er kam in die Bank, und ich plauderte im Wartezimmer mit ihm, was mit zu meinen Aufgaben gehörte. Das war das einzige Mal, daß er sich in der Bank blicken ließ. Danach wurde dann sein böser Zauber wirksam, und ich wurde vollständig ausgeschlossen. Von beiden.«
    »Würden Sie das näher erläutern?«
    »Wir konnten uns mitten in einem privaten Moment befinden, Mr. Edward und ich. Allein. Oder in einem Diktat, es war völlig gleich. Das Telefon klingelte. Es war Findlay. Mr. Edward brauchte nur seine Stimme zu hören, und schon hieß es: ›Elli, geh dir die Nase pudern.‹ Wenn Findlay eine Besprechung mit Mr. Edward wünschte, dann fand diese Besprechung in einem Restaurant statt, nie in der Bank, und ich war wieder ausgeschlossen. ›Nicht heute abend, Elli. Geh heim und koch deiner Mutter ein Huhn.«‹
    »Haben Sie sich bei Mr. Edward über diese schäbige Behandlung beschwert?«
    »Seine Antwort war, daß es auf dieser Welt Geheimnisse gebe, in die nicht einmal ich eingeweiht werden könne, und Teddy Findlay sei eines dieser Geheimnisse.«
    »Teddy?«
    »So hieß er mit Vornamen.«
    »Das hatten Sie noch nicht erwähnt, glaube ich.«
    »Ich verspürte nicht das Bedürfnis. Wir waren Teddy und Elli füreinander. Nur am Telefon natürlich. Aufgrund dieser einen Begegnung im Wartezimmer, bei

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