Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
genug ausgedrückt?«
    Aber ehe Brue etwas hinreichend Begütigendes antworten konnte, setzte sie sich abrupt auf den Stuhl hinter ihr, und die beiden Frauen am anderen Ende des Raums hasteten zu ihr herüber. Eine legte ihren Arm dahin, wo Brue so gern den seinen hingelegt hätte, und die andere wedelte mit ihrer feisten Hand in Richtung eines Volvo Kombi, der im Halteverbot vor dem Lokal stand.

12
    Günther Bachmann machte sich bereit, seine Ware zu präsentieren. Seit neun Uhr morgens trudelten die großen Käufer aus Berlin in Zweier- und Dreiergrüppchen in Arni Mohrs Vorzimmer ein, kosteten seinen Kaffee, kommandierten ihre Unterlinge herum, raunzten in ihre Handys und starrten auf ihre Laptops. Auf dem Parkplatz standen zwei Diensthubschrauber. Ordinäre Autofahrer mußten sich mit dem Hof vor dem Pferdestall zufriedengeben. Leibwächter in schlechtsitzenden grauen Anzügen streiften wie verirrte Katzen über das Gelände.
    Und Bachmann, der Urheber von allem, der Wettermacher, der kampferprobte Spion in seinem einzigen ansehnlichen Anzug, bearbeitete die Kundschaft – konferierte hier in gedämpftem Ton mit einem Beamtenbaron, schlug dort einem alten Weggefährten auf die Schulter. Wen er gut genug kannte, dem antwortete er auf die Frage, wie lange es bis zur Produktreife seiner Ware gedauert hatte, mit seinem Clownsgrinsen und einem geknurrten verfluchte fünfundzwanzig Jahre: so lange nämlich rackerte er, auf die eine oder andere Art, schon im Weinberg seiner Geheimdienstherren.
    Erna Frey war ihm von der Fahne gegangen. Sie müsse bei dem armen Kind bleiben, wie sie Annabel inzwischen nannte. Hätte sie eine weitere Ausrede gebraucht, was nicht der Fall war, so verfügte sie sich lieber ans andere Ende der Welt, als die gleiche Luft zu atmen wie Dr. Keller aus Köln. Ohne ihren mäßigenden Einfluß waren Bachmanns Bewegungen rascher als sonst, und er klang aufgedrehter – wie ein Motor, der auf zu hohen Touren läuft.
    Wer unter diesen freundlich lächelnden, verdeckt um sich blickenden Männern und Frauen war für heute sein Freund, wer sein Feind? Welchem dunklen Komitee oder Ministerium, welcher Religion oder Partei waren sie verpflichtet? Nur einigen wenigen von ihnen waren seines Wissens je die Bombensplitter um die Ohren geflogen, aber in dem langen, lautlosen Kampf um die Führung ihres Dienstes waren sie hartgesottene Veteranen.
    Denn das war noch so eine Predigt, die es Bachmann diesen im Gefolge des elften Septembers rasant aufgestiegenen Managern des Boom-Markts für Nachrichtendienste und verwandte Branchen zu halten juckte – eine weitere Bachmann-Kantate, die er für den Tag in petto hatte, wenn er zurückgebeten wurde nach Berlin. Es kam nicht darauf an, wollte er ihnen sagen, wie viele moderne Wunderwaffen des Spionagehandwerks sie im Schrank hatten, wie viele magische Codes sie entschlüsselten, wieviel heißes Signalgeflüster sie sich anhörten, wie viele geniale Erkenntnisse über vorhandene oder fehlende Organisationsstrukturen des Feindes sie aus dem Äther pflückten, wie viele Grabenkämpfe sie sich lieferten, und auch nicht darauf, wie viele zahme Journalisten ihnen fragwürdige Informationsperlen gegen tendenziöse Insidertips und ein paar Scheinchen extra anzudienen versuchten: nein, letzten Endes waren es der verschmähte Imam, der liebeskranke Geheimkurier, der käufliche pakistanische Wehrwissenschaftler, der bei der Beförderung übergangene iranische Militär und der einsame Schläfer, der nicht länger allein schlafen kann, die die solide Wissensgrundlage lieferten, ohne die der ganze Rest nichts weiter war als Futter für die Wahrheitsverdreher, Ideologen und Politopathen, die die Welt in den Abgrund trieben.
    Aber bei wem hätte er damit Gehör gefunden? Bachmann, darüber machte er sich keine Illusionen, war ein in die Wüste verbannter Prophet. Von der gesamten Berliner Spionageelite, die sich heute hier versammelt hatte, ließ sich lediglich der hochgewachsene, lässige, kluge, nicht mehr ganz taufrische Michael Axelrod, der sich soeben zu ihm herabbeugte, als sein Verbündeter bezeichnen.
    »Soweit alles klar, Günther?« fragte er mit seinem gewohnt verhaltenen Lächeln.
    Er fragte es nicht ohne Grund. Gerade war Ian Lantern hereingeschlendert. Gestern abend war Bachmann von Axelrod höchstselbst in die Bar des Vier Jahreszeiten geladen worden, zu einem ach so freundschaftlichen Umtrunk zu dritt. Der kleine Lantern hatte sich so überaus englisch gegeben, so

Weitere Kostenlose Bücher