Marissa Blumenthal 01 - Virus
bin tatsächlich im Augenblick vor allem an den Ergebnissen der äußeren Untersuchung interessiert«, sagte Marissa. »Wurde irgend etwas Ungewöhnliches festgestellt?«
»Aber natürlich«, gab Dr. Vandermay. »Der Mann hatte überall hämorrhagische Läsionen.«
»Und wie steht es mit Verletzungen durch äußere Einwirkung?« hakte Marissa nach.
»Wie haben Sie denn das erraten?« sagte Dr. Vandermay überrascht. »Er hatte tatsächlich einen Nasenbeinbruch. Fast hätte ich vergessen, das zu erwähnen.«
»Wie alt?« wollte Marissa wissen.
»Eine Woche bis zehn Tage - irgendwo in diesem Bereich.«
»Ist in den Unterlagen der Anlaß dafür vermerkt?« fragte Marissa.
»Um die Wahrheit zu gestehen - ich habe nicht nachgeschaut«, bekannte Dr. Vandermay. »Da wir wußten, daß der Mann am hämorrhagischen Fieber vom Ebola-Typus gestorben war, haben wir anderem tatsächlich keine Beachtung geschenkt. Der Nasenbeinbruch schien uns da tatsächlich bedeutungslos zu sein.«
»Kann ich schon verstehen«, räumte Marissa ein. »Was ist mit den Krankenunterlagen? Ich nehme doch an, daß sie hier in der Pathologie sind. Kann ich sie mal sehen?«
»Aber selbstverständlich!« versicherte Vandermay und erhob sich. »Warum kommen Sie nicht einfach mit in die Autopsieabteilung. Ich habe einige Aufnahmen der gebrochenen Nase, Sie können sie sich gerne einmal anschauen.«
»Aber gern«, gab Marissa zurück.
Stewart verabschiedete sich mit dem Hinweis auf eine Besprechung, zu der er gehen müsse, und Marissa folgte Vandermay, der ihr auf dem Weg erklärte, daß die Leiche desinfiziert und in Spezialverpackung doppelt eingehüllt worden sei, um Ansteckung zu vermeiden. Die Familie hatte darum gebeten, den Leichnam nach Indien zu überführen, aber die Genehmigung dafür war versagt worden. Marissa konnte gut verstehen, warum.
Die Krankenblätter waren zwar nicht so vollständig, wie Marissa sich das gewünscht hätte, aber es befand sich jedenfalls ein Bericht über den Nasenbeinbruch darunter. Er war von einem von Dr. Mehtas Kollegen erstellt worden, einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Marissa erfuhr aus den Unterlagen ferner, daß Dr. Mehta selbst Hals-Nasen-Ohren-Spezialist war, eine beängstigende Tatsache angesichts der Wege, auf denen bei den bisherigen Ausbrüchen die Ansteckung erfolgt war. Was die Ursache für den Nasenbeinbruch betraf, fand sich jedoch keine Eintragung.
Vandermay schlug vor, doch den Kollegen anzurufen, der den Bericht erstellt hatte. Während er ihn zu erreichen versuchte, ging Marissa den Rest der Krankenunterlagen durch. Sie fand keinerlei Hinweise auf in letzter Zeit unternommene Reisen, Kontakt mit Tieren oder irgendeine Verbindung zu früheren Ebola-Ausbrüchen.
»Der arme Mensch ist auch noch überfallen worden«, berichtete Dr. Vandermay nach dem Auflegen des Hörers. »Niedergeschlagen und ausgeraubt, in seiner eigenen Garageneinfahrt. Können Sie sich das vorstellen? In was für einer Welt leben wir denn hier!«
Wenn Sie bloß wüßten! dachte Marissa und war sich nun absolut sicher, daß die Ebola-Ausbrüche ganz absichtlich ausgelöst worden waren. Eine Welle der Angst überkam sie, aber sie zwang sich, den Pathologen weiter auszufragen. »Haben Sie zufällig einen kreisrunden, etwa vierteldollar-großen Bluterguß an einem Oberschenkel feststellen können?«
»Ich kann mich nicht erinnern«, antwortete Dr. Vandermay. »Aber hier haben wir alle Aufnahmen.« Er breitete eine Reihe von Fotos vor Marissa aus wie ein Pokerspieler seine Gewinnkarten.
Marissa warf einen Blick auf das erste Foto. Es zeigte brutal den nackten Leichnam, ausgestreckt auf der polierten Stahlplatte des Autopsietisches. Trotz der anderen Blutungsstellen konnte Marissa auf einer Aufnahme deutlich den gleichen kreisrunden Bluterguß erkennen, der ihr damals auf Dr. Richters Oberschenkel aufgefallen war. Die Größe entsprach genau der Mündungsöffnung einer Injektionspistole!
»Wäre es wohl möglich, einen Abzug mitzunehmen?« fragte Marissa.
»Von mir aus«, meinte Dr. Vandermay. »Wir haben ausreichend Abzüge gemacht.«
Marissa schob das Foto in ihre Tasche. Es war lange nicht so gut wie die Injektionspistole, aber es war immerhin etwas. Sie bedankte sich bei Dr. Vandermay und stand auf.
»Könnten Sie mir nicht ein bißchen was über ihre Vermutungen erzählen?« fragte Vandermay. Ein kleines Lächeln lag auf seinem Gesicht, so als ob er ahnte, daß da was im Busch war. Über die Sprechanlage wurde Dr.
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