Marissa Blumenthal 01 - Virus
ihr Schluchzen ließ nach, und sie atmete wieder ruhiger.
Fünf Minuten verstrichen. Ralph seufzte. »Wo ist denn Ihr Gepäck?«
Marissa gab keine Antwort, aber sie zog ein Taschentuch heraus und begann sich das Gesicht abzuwischen.
»Ich hätte in der Küche auch noch ein bißchen kaltes Huhn!«
Schließlich setzte sich Marissa auf. »Vielleicht ein bißchen später. Bleiben Sie bitte einfach noch eine Weile bei mir. Ich war so verängstigt.«
»Aber warum haben Sie mich denn dann nicht vom Flugplatz aus angerufen? Und was ist mit Ihrem Auto geschehen? Hatten Sie denn das nicht am Flugplatz stehenlassen?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte«, sagte Marissa. »Ich hatte Angst, daß jemand den Wagen überwacht, und ich wollte nicht, daß irgend jemand merkt, daß ich wieder in Atlanta bin.«
Ralph hob die Augenbrauen. »Heißt das, daß Sie gerne die Nacht über hierbleiben möchten?«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, antwortete Marissa. »Nicht etwa, daß ich mich selbst einladen will - aber Sie waren immer ein so guter Freund!«
»Soll ich Sie zu Ihrem Haus fahren, damit Sie ein paar Sachen holen können?« fragte Ralph.
»Vielen Dank, aber ich möchte mich dort nicht sehen lassen, aus denselben Gründen, die mich davon abgehalten haben, meinen eigenen Wagen zu nehmen. Wenn ich mich überhaupt noch danach fühlte, irgendwohin zu fahren heute abend, dann allenfalls zum CDC, um dort an ein Päckchen zu kommen, von dem ich hoffe, daß Tad es für mich aufgehoben hat. Aber um ehrlich zu sein, glaube ich, daß das alles Zeit bis morgen hat. Sogar das Gespräch mit diesem Anwalt, von dem ich hoffe, daß er mich vor dem Gefängnis bewahren kann.«
»Um Gottes willen!« rief Ralph. »Ich hoffe doch nicht, daß Sie das im Ernst meinen. Aber finden Sie nicht, daß es allmählich an der Zeit wäre, mir zu erzählen, was denn da überhaupt vor sich geht?«
Marissa ergriff seine Hand. »Gleich, ganz bestimmt. Ich verspreche es. Ich muß mich lediglich vorher noch ein wenig beruhigen. Vielleicht sollte ich eine Kleinigkeit essen.«
»Ich kann Ihnen ein bißchen Huhn richten«, bot er an.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, kann ich das doch selbst tun - ich weiß ja, wo Ihre Küche ist. Oder darf ich mir vielleicht ein paar Rühreier machen?«
»Aber natürlich«, stimmte Ralph zu. »Ich helfe Ihnen dann gleich. Ich muß nur rasch noch jemanden anrufen.«
Marissa schleppte sich quer durchs Haus in die Küche.
Sie schaute sich dort um, ließ ihre Blicke über die Einrichtung gleiten und fand, daß es eigentlich Zeitverschwendung sei, sich Rühreier zu machen. Aber trotzdem war das noch das am ehesten Verlockende. Sie nahm also Eier aus dem Kühlschrank und auch etwas Toastbrot. Da fiel ihr ein, daß sie Ralph gar nicht gefragt hatte, ob er auch etwas wolle. Sie wollte ihn gerade rufen, als ihr klar wurde, daß er sie wohl gar nicht hören würde.
Da sah sie die Gegensprechanlage, legte die Eier hin und trat darauf zu. Sie begann nacheinander die entsprechenden Knöpfe herunterzudrücken, um herauszubekommen, wie sie funktioniere.
»Hallo, hallo«, wiederholte sie dabei und versuchte es auch mit der gleichzeitigen Betätigung verschiedener Knöpfe. Dabei stieß sie auf die richtige Schaltung, denn sie hörte plötzlich Ralphs Stimme.
»Sie ist nicht in San Francisco«, hörte sie ihn sagen. »Sie ist hier bei mir in meinem Haus.«
Pause.
»Jackson, ich weiß nicht, was geschehen ist. Sie ist völlig hysterisch. Alles, was ich bisher herausbekam, war, daß sie sich ein Päckchen beschaffen will, das für sie im Seuchenkontrollzentrum liegt. Hören Sie, ich kann jetzt nicht weiterreden, ich muß wieder zu ihr.«
Pause.
»Ja, ich halte sie hier fest, machen Sie sich da mal keine Sorgen. Aber kommen Sie her, sobald es irgend geht.«
Pause.
»Nein, es weiß niemand, daß sie hier ist, da bin ich völlig sicher. Wiederhören!«
Marissa umklammerte die Deckplatte des Unterschranks, auf dem die Gegensprechanlage stand, und hatte Angst, ohnmächtig zu werden. Während der ganzen Zeit hatte Ralph - der einzige Mensch, dem sie vertraut hatte! - zu »denen« gehört. Und Jackson! Das mußte der gleiche Jackson sein, den sie damals auf Ralphs Einladung zum Abendessen kennengelernt hatte. Der Vorsitzende des PAC - und er war auf dem Weg hierher, O Gott!
Da sie wußte, daß Ralph inzwischen auf dem Weg in die Küche war, zwang sich Marissa, mit den Essensvorbereitungen fortzufahren. Aber als sie versuchte, am Rande
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