Marissa Blumenthal 01 - Virus
aber wo dort genau, wußte sie nicht. Sie hatte bei ihrem unerlaubten Besuch dort einfach vergessen, danach zu fragen.
KAPITEL 7
17. April
Offenbar hatte das Telefon schon ein paarmal geklingelt, ehe Marissa sich herumwälzte und den Hörer abnahm. Die Telefonistin im Seuchenkontrollzentrum entschuldigte sich nämlich sofort, weil sie Marissa aus so tiefem Schlaf reißen müsse. Nachdem Marissa sich mühsam aufgesetzt hatte, erfuhr sie, es sei ein Ferngespräch aus Phoenix/Arizona in der Leitung; die Telefonistin wollte erst wissen, ob sie es durchstellen könne, und Marissa stimmte sofort zu.
Da das ein Weilchen dauern würde, legte sie wieder auf und warf sich rasch ein Kleid über. Als es erneut klingelte, warf sie noch einen Blick auf die Uhr - ziemlich genau vier Uhr morgens, und das bedeutete, daß es in Phoenix jetzt gerade zwei war. Sie hatte keinerlei Zweifel, daß erneut ein vermuteter Ausbruch des Ebola-Fiebers gemeldet werden würde.
Marissa nahm den Hörer ab und meldete sich mit »Dr. Blumenthal«.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang alles andere als ruhig. Der Anrufer stellte sich als Dr. Guy Weaver vor, Seuchenbeauftragter des Staates Arizona. »Es tut mir ja furchtbar leid, daß ich Sie um eine solche Zeit anrufen muß«, sagte er, »aber ich bin wegen eines ernsten Problems hierher ins Medica-Hospital in Phoenix gerufen worden. Ich nehme an, daß Ihnen das Medica-Hospital bekannt ist.«
»Nein, das könnte ich nicht sagen.«
»Es gehört zu einer Kette von Privatkliniken, die im Vertragsverhältnis mit der Medica Medical Group steht, um für die dort Versicherten Vorsorge und Behandlung durchzuführen. Wir müssen befürchten, daß hier im Krankenhaus das Ebola-Fieber ausgebrochen ist.«
»Ich nehme an, daß Sie den Patienten bereits isoliert haben«, sagte Marissa. »Wir haben festgestellt, daß…«
»Frau Dr. Blumenthal«, unterbrach Dr. Weaver sie, »es geht hier nicht um einen Patienten - wir haben vierundachtzig Fälle!«
»Vierundachtzig!« rief Marissa ungläubig aus.
»Es handelt sich um zweiundvierzig Ärzte, dreizehn staatlich geprüfte Krankenschwestern, elf Pflegeschwestern, vier Leute aus dem Labor, sechs Leute aus der Verwaltung, sechs vom Küchenpersonal und zwei Männer vom Wartungsdienst.«
»Und alle auf einen Schlag?« fragte Marissa.
»Alle heute abend«, war die Antwort.
Um diese Nachtzeit gab es keinen passenden Flug nach Phoenix, wenn auch Delta die am wenigsten umständliche Verbindung anzubieten hatte. Sobald sie fertig angezogen war, rief Marissa den diensttuenden Beamten im Seuchenkontrollzentrum an, um ihm zu sagen, daß sie sich gerade im Augenblick auf den Weg nach Phoenix mache, und ihn zu bitten, Dr. Dubchek davon zu verständigen, sobald dieser ins Haus käme.
Nachdem sie den Nachbarn einen Zettel hinterlassen hatte mit der Bitte, sich um Taffy und ihre Post zu kümmern, fuhr Marissa zum Flughafen. Die Tatsache, daß diesmal die Krankheit gleich mit vierundachtzig Fällen ausgebrochen war, bestürzte Marissa sehr. Sie hoffte, daß Dubchek und dessen Team ihr bis zum Nachmittag folgen könnten.
Abgesehen von den beiden Zwischenlandungen verlief der Flug ohne besondere Ereignisse, und sie hatte jedenfalls nicht über Überfüllung zu klagen. Am Flugzeug holte sie ein kleiner dicker Mann ab, der sich nervös als Justin Gardiner, der stellvertretende Direktor des Medica-Hospitals, vorstellte.
»Bitte, geben Sie mir Ihren Koffer«, sagte er, aber er war so aufgeregt, daß er danebengriff und der Koffer zu Boden fiel. Beim Aufheben entschuldigte er sich damit, daß er doch etwas verstört sei.
»Das kann ich gut verstehen«, sagte Marissa. »Gab es inzwischen Neueinlieferungen?«
»Einige, und im Krankenhaus herrscht Panik«, antwortete Gardiner, während sie zur Eingangshalle gingen. »Die Patienten begannen damit, abzuhauen, und auch das Personal flüchtete, bis der staatliche Seuchenbeauftragte die Quarantäne verhängte. Der einzige Grund, warum ich Sie hier überhaupt abholen kann, besteht darin, daß ich gestern frei hatte.«
Marissas Mund wurde trocken vor Angst bei dem Gedanken, in was für eine Situation sie jetzt wieder gerate. Plötzlich wirkte Kinderheilkunde erheblich verlockender als dies alles.
Auch das Medica-Hospital war wieder ein eindrucksvolles modernes Gebäude, und es wirkte auf Marissa so, als ob dieser Ebola-Virus solche Bauten im Stil unserer Zeit bevorzuge. Die klaren, ja fast sterilen Linien des
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