Marissa Blumenthal 01 - Virus
Quarantänemaßnahmen.
»Werden wir alle krank?« schrie eine Frau aus dem Hintergrund des Raums. Ein Murmeln ging durch die Zuhörerschaft - ja, das war die Hauptsorge aller.
»Ich war bei den beiden letzten Ausbrüchen der Krankheit dabei«, antwortet Marissa, »und ich wurde nicht angesteckt, obwohl ich Kontakt mit erkrankten Personen hatte.« Ihre eigene anhaltende Angst erwähnte sie nicht. »Wir haben festgestellt, daß sehr enger persönlicher Kontakt notwendige Voraussetzung für die Übertragung der Krankheit ist. Eine Ansteckung über die Luft findet offensichtlich nicht statt.« Marissa stellte fest, daß einige Leute daraufhin ihre Gesichtsmasken abnahmen. Sie schielte nach Dr. Weaver, der ihr durch einen nach oben gereckten Daumen aufmunternd zu verstehen gab, sie solle so fortfahren.
»Ist es wirklich notwendig für uns alle, hier im Krankenhaus zu bleiben?« fragte ein Mann in der dritten Reihe. Er trug einen langen weißen Ärztekittel.
»Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja«, antwortete Marissa diplomatisch. »Die Quarantänemaßnahmen bei den beiden bisherigen Ausbrüchen sahen jeweils die Trennung nach Primär- und Sekundärkontakten vor.« Marissa fuhr fort, die jeweiligen Maßnahmen, die seinerzeit in Los Angeles und St. Louis ergriffen worden waren, genauer zu beschreiben. Sie schloß mit der Mitteilung, daß niemand, der die Quarantänemaßnahmen befolgt hatte, krank geworden sei - es sei denn, er hätte schon vorher Hautkontakt mit einer bereits erkrankten Person gehabt.
Anschließend griff Marissa eine Reihe von Fragen über die anfänglichen Symptome und den Krankheitsverlauf des hämorrhagischen Fiebers vom Ebola-Typ auf. Letzteres erschreckte entweder die Zuhörerschaft so, daß sie schweigend verharrte, oder es befriedigte ihre Neugierde. Marissa konnte das nicht entscheiden - aber es gab jedenfalls keine weiteren Fragen mehr.
Während Direktor Davis mit einer Ansprache an das Personal begann, führte Dr. Weaver Marissa aus dem Auditorium. Kaum standen sie wieder in dem engen Gang, als sie ihm sagte, sie müsse nun unbedingt einen der zuerst Erkrankten sehen, um dann das Seuchenkontrollzentrum anrufen zu können. Dr. Weaver antwortete, daß er damit gerechnet habe, und bot ihr an, sie gleich selbst zu einem Kranken zu führen. Auf dem Weg erläuterte er, daß man alle Infizierten auf zwei Gängen der Klinik zusammengezogen, die anderen Kranken verlegt und auch das Lüftungssystem isoliert habe. Er habe allen Grund anzunehmen, daß dadurch ein in sich geschlossenes System erreicht worden sei. Er berichtete weiter, daß das ganze auf diesen beiden Gängen nun beschäftigte Personal von seinen Leuten speziell geschult worden sei, daß alle Laborarbeiten beschränkt worden seien auf das, was man in einer hastig eingerichteten Station auf einem der Gänge direkt machen könne, und daß alles, was die Patienten irgendwie benutzten, erst desinfiziert und dann verbrannt würde.
Was die Quarantäne betraf, teilte er ihr mit, daß man Matratzen herangeschafft habe und die Abteilung, in der sonst Patienten ambulant behandelt wurden, in einen riesigen Schlafsaal verwandelt worden sei, wobei man wieder auf die Abtrennung der Primär- von den Sekundärkontakten geachtet habe. Auch alles, was an Nahrungsmitteln, Getränken oder Wasser gebraucht würde, werde von außerhalb herangeschafft. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Marissa dann auch, daß Dr. Guy Weaver vor sechs Jahren EIS-Beamter am Seuchenkontrollzentrum gewesen war.
»Und warum haben Sie mich dann als den großen Experten vorgestellt?« fragte ihn Marissa und erinnerte sich an seine sie beängstigenden Übertreibungen. Offenbar wußte er mindestens soviel wie sie über Quarantänemaßnahmen, wenn nicht sogar mehr.
»Wegen des Eindrucks«, gab Dr. Weaver zu. »Das Krankenhauspersonal brauchte einfach etwas, woran es glauben konnte.«
Marissa brummelte ein bißchen, verärgert darüber, daß man ein falsches Bild von ihr gegeben hatte, war aber dennoch beeindruckt von Dr. Weavers effizienten Maßnahmen. Als sie zu dem betreffenden Gang kamen, zogen sie Kittel an, und bevor sie dann in eines der Zimmer gingen, schlüpften sie in einen zweiten Schutzmantel und legten Häubchen, Schutzbrillen, Gesichtsmasken, Handschuhe und Überschuhe an.
Der Patient, zu dem Dr. Weaver Marissa als erstes führte, war einer der Allgemeinärzte der Klinik. Er war Inder und stammte aus Bombay. Marissas ganze Angst vor Ansteckung kehrte schlagartig zurück, als
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