Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Cockerspaniel, jaulte. Er wollte hinausgelassen werden.
»Was hast du gesagt?« rief Marissa ihrem Mann zu, der im großen Badezimmer verschwunden war. Sie hörte die Dusche rauschen.
»Ich habe gesagt, daß ich heute vormittag nicht in die verdammte Frauenklinik mitkommen will!« schrie er zurück. In der teilweise geöffneten Tür tauchte sein mit Rasierschaum bedecktes Gesicht auf. Mit gesenkter Stimme, aber immer noch laut genug, um sich über den Fernseher verständlich zu machen, fuhr er fort: »Ich bin heute morgen nicht in der Stimmung, eine Samenprobe abzugeben. So ist es nun mal. Nicht heute.« Achselzuckend verschwand er wieder im Badezimmer.
Eine Zeitlang rührte sich Marissa nicht von der Stelle. Dann fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar und rang um Beherrschung. Das Blut stieg ihr in die Ohren, als sie sich noch einmal Roberts beiläufige Weigerung, mit ihr in die Klinik zu fahren, ins Gedächtnis rief. Wie konnte er das so einfach in letzter Minute rückgängig machen?
Sie schaute zu dem Radiowecker hinüber, der sie vor einer halben Stunde wachgemacht hatte, und spürte einen fast unwiderstehlichen Drang, über den Nachttisch zu steigen, das Kabel aus der Steckdose
zu ziehen und das ganze Ding am Kamin zu zerschmettern. So wütend war sie. Doch sie hielt sich zurück.
Aus dem Badezimmer hörte sie, wie die Tür zur Dusche geöffnet und wieder geschlossen wurde. Robert war in die Kabine gegangen.
»Das ist doch nicht zu glauben«, sagte Marissa leise vor sich hin. Dann marschierte sie zum Badezimmer und stieß die Tür krachend vollends auf. Der Hund kam ihr bis zur Schwelle nach. Schon wallte Dampf über den Rand der Duschkabine. Robert duschte gern kochend heiß. Durch das Rauchglas der Kabine konnte Marissa den athletischen Körper ihres Mannes wahrnehmen.
»Wiederhole mir das noch einmal!« rief Marissa ihm zu. »Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden.«
»Ganz einfach«, sagte er. »Ich komme heute vormittag nicht in die Klinik mit. Ich bin nicht in der Stimmung. Ich bin doch kein Samenspender.«
Bei der ganzen Behandlung wegen Unfruchtbarkeit hatte es genügend Höhen und Tiefen gegeben. Aber so etwas hatte Marissa nicht vorausgesehen. Sie mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht die Tür der Duschkabine, in der Robert sich wusch, einzutreten. Der Hund merkte, in was für einer Laune sie war, und verkroch sich unter dem Bett.
Schließlich stellte Robert das Wasser ab und trat aus der Kabine. Wassertropfen rannen an seiner muskulösen Gestalt herab. Trotz seines gefüllten Terminkalenders brachte er es fertig, dreioder viermal in der Woche Sport zu treiben. In diesem Augenblick ärgerte sich Marissa sogar darüber, daß er so schlank war. Das erinnerte sie in unangenehmer Weise daran, daß sie selber im Laufe der Behandlung fast fünf Kilo zugenommen hatte.
Robert schien überrascht zu sein, als er sie da stehen sah.
Nun mußte er ihr zuhören. Sie fragte: »Du sagst, daß du heute vormittag nicht mitkommen willst, um eine Samenprobe abzugeben?«
»Ja, das stimmt«, sagte Robert. »Ich wollte es dir schon gestern abend sagen, aber da hattest du Kopfschmerzen. Was mich nicht weiter überraschte. Denn in letzter Zeit hattest du ja dauernd Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen oder sonstige Schmerzen. Also hielt ich es für besser, dich damit nicht zu behelligen. Aber jetzt habe ich es dir gesagt. Sie können den eingefrorenen Samen vom letztenmal wieder auftauen. Sie haben ja selber gesagt, daß sie einen Teil davon immer einfrieren. Sollen sie den doch nehmen!«
»Nach allem, was ich durchgemacht habe, willst du nicht mit zur Klinik kommen und dort fünf Minuten deiner kostbaren Zeit opfern?«
»Komm, komm, Marissa«, sagte Robert und trocknete sich mit dem Handtuch ab. »Wir wissen doch beide, daß das länger als fünf Minuten dauert.«
Allmählich fühlte sich Marissa mehr von Robert enttäuscht als von ihrer Unfruchtbarkeit. Wütend sagte sie: »Ich bin es doch, die wirklich viel Zeit dafür aufzubringen hat. Und ich bin es, die man mit Hormonen vollgepumpt hat. Klar habe ich Kopfschmerzen. Aber ich bin ja auch in einem ständigen Streßzustand, um eine Eizelle zu produzieren. Sieh dir doch nur mal die ganzen Einstiche an meinen Armen und Beinen an!« Marissa zeigte auf die zahlreichen blauen Flecken an ihren Gliedern.
»Die habe ich schon gesehen«, sagte Robert, ohne hinzuschauen.
»Ich mußte eine Vollnarkose, eine Bauchspiegelung und die Entnahme einer
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