Mark Beamon 01 - Der Auftrag
mit einer Kopfbewegung auf die Pressemeute. »Es ist schön, dich zu sehen, Frank. Ich bin dir wirklich dankbar für deine Hilfe.«
Frank nickte nur und schaute zu Boden. »Kein Problem. Ich kann bloß kaum glauben, dass diese Geier den Mumm haben, einfach hier aufzukreuzen.«
»War doch klar. Sobald sie erfahren haben, dass mein Neffe gestorben ist, weil er verseuchtes Koks geschnupft hat, haben sie alle anderen Termine gestrichen.«
Frank zuckte die Schultern und richtete sich zu seiner ganzen Größe von annähernd zwei Metern auf. »Es hat bereits angefangen. Du beeilst dich besser.«
Beamon ließ den Wagen vorwärts rollen und folgte einem zweiten, dunkel gekleideten Mann, der ihm das Tor öffnete.
Frank war immer ein guter Freund gewesen. Er hatte mit keiner Silbe protestiert, als er ihn angerufen und gebeten hatte, den unangenehmen und nicht ganz legalen Job als Rausschmeißer beim Begräbnis seines Neffen zu übernehmen. Frank war jedoch der einzig richtige Mann dafür. Ein Blick auf sein Gesicht mit den tiefen Aknenarben und seine kräftigen zweihundertfünfzig Pfund genügten, dass selbst der hartgesottenste Reporter es sich zweimal überlegte, ehe er etwas über das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen daherschwafelte.
Beamon hielt dicht bei einem blauen Toyota, den er absichtlich blockierte, um einen Vorwand zu haben, am Ende der Trauerfeier rasch zu verschwinden. Mit einiger Mühe stieg er aus dem Auto und stapfte durch die Schneeverwehungen zwischen den Grabsteinen auf eine kleine Gruppe schwarz gekleideter Trauernder zu, die sich gegenseitig stützten.
Er war dankbar, dass sich keiner umschaute, als er eine günstige Position hinter einem Mann fand, der ihm die Sicht auf den Sarg nahm. Flüchtig spähte er um seine Schulter herum zu seiner Schwester. Ihr Kopf war gesenkt und ihr Blick starr auf das Ding gerichtet, das er lieber nicht sehen wollte.
Die Trauerfeier dauerte ewig.
Der Priester murmelte mal vor sich hin, dann wieder hob er seine Stimme, aber er sagte nichts, was Beamon auf sich beziehen konnte. Er sprach nur von der weit verbreiteten Gottlosigkeit, die zu dem Tod des Jungen geführt hätte. Beamons Gedanken schweiften ab, und er musterte die kleine Gruppe, die sich hier versammelt hatte. Er kannte fast niemanden aus dem Leben seiner Schwester, was allerdings nicht überraschend war. Sie hatten sich schon als Kinder nie wirklich nahe gestanden. Heute sahen sie sich nur, wenn er mal auf Urlaub daheim war, und redeten dann befangen wie völlig Fremde über irgendwelche Belanglosigkeiten.
Beamon hatte nicht gemerkt, dass der Priester längst schwieg, und wurde erst aus seinen Gedanken gerissen, als die Leute sich an ihm vorbeidrängelten. Er schaute auf und sah seine Schwester zielstrebig auf sich zukommen. Trotz der Träne in ihrem rechten Augenwinkel war ihr Blick kalt.
»Du bist mir nie ein besonders guter Bruder gewesen, Mark.«
Er sah nicht viel Sinn darin, es abzustreiten, und schwieg.
»Jetzt hast du die Gelegenheit, es wieder gutzumachen. Finde heraus, wer Kevin das angetan hat. Finde es heraus und bring ihn um.« Sie schob sich an ihm vorbei und eilte auf die Wagen zu.
Kevin.
Er schaute auf den schmutzigen Schnee rings um sein Grab und dachte an die wenigen Erinnerungen, die er an den Jungen hatte. Er war unglaublich gescheit und dazu ungestüm und abenteuerlustig gewesen, ganz ähnlich wie er selbst in seinem Alter. Allerdings war es in den frühen sechziger Jahren noch wesentlich strenger zugegangen, was ihn daran gehindert hatte, allzu weit vom rechten Weg abzuschweifen. In den neunziger Jahren hatten es fast keine Einschränkungen mehr gegeben. Bis jetzt.
»Franz – nein«, seufzte Scott Dresden müde.
Franz Gullich schraubte ungerührt die Flasche Jack Daniels auf und warf den Verschluss in den Papierkorb – ein altes Ritual, das Dresden zu fürchten gelernt hatte.
Gullich war nicht aufgrund seiner Abstinenz der Chef des deutschen Bundeskriminalamts geworden, doch seine Fähigkeit, selbst in angetrunkenem Zustand logisch zu denken und verblüffende Schlussfolgerungen zu ziehen, wurde nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika bestaunt. Er und Dresden waren rasch Freunde geworden während Dresdens Dienstzeit als Assistant Legal Attaché in Bonn – eine Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt beruhte.
Da Gullich keinerlei politische Ambitionen hatte, war es eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Er hatte vor fast zwanzig Jahren als Streifenpolizist in
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