Mark Beamon 01 - Der Auftrag
einer Schachtel Velveeta und zwei Tüten Tortillachips. Er verstaute alles im Kühlschrank und behielt nur ein Bier draußen.
Seit John Hobart ihm bei ihrem Treffen in seiner Jagdhütte Washington zugeteilt hatte, lebte er nun schon hier in diesem Haus, das in einem ›umstrittenen‹ Gebiet lag. In nördlicher Richtung wohnten ausschließlich Farbige, im unmittelbaren Süden nur Latinos, doch weiter südlich galt es als ›aufstrebende‹ Gegend. Weiße Yuppies kauften dort zunehmend die relativ billigen Häuser, renovierten sie und sicherten sie mit Fenstergittern und supermodernen Alarmanlagen.
Der erste Monat war mühsam gewesen. Weder die Schwarzen noch die Latinos waren bereit gewesen, einen fünfzigjährigen Weißen mit Südstaatenakzent in ihrer Mitte zu akzeptieren. Indem er erstklassige Produkte zu Preisen anbot, die unter dem marktüblichen Niveau lagen, hatte er sich beharrlich seine Position erobert. Er war stets fair, hatte immer Ware zu verkaufen, und schließlich hatten viele der kleinen Dealer widerstrebend eingelenkt. Wirtschaftlicher Profit war, wie es schien, wichtiger als Rassenstolz.
Natürlich hatte es Probleme gegeben, hauptsächlich mit den Dealern, die er verdrängt hatte. Die sich am lautstärksten widersetzt hatten und vermutlich auch die gewalttätigsten gewesen waren, hatte er mit einer Kugel zum Schweigen gebracht. Daraufhin hatte sich vorerst der Widerstand gelegt. Ihre Konkurrenten hatten die verwaisten Bezirke übernommen und schienen gemerkt zu haben, dass sie mit Karns besser dran waren als mit ihren unberechenbaren Freunden. Nun herrschte ein mehr oder weniger wackeliger Friede.
Seit Wochen hatte er kein Wort mehr von Hobart gehört und wurde allmählich ungeduldig. Im Moment war er nur einer von vielen Drogendealern und vergrößerte das Problem noch, das sie eigentlich ausrotten wollten.
Er setzte sich auf den Boden, öffnete eine Dose Chili und schüttete es in einen dreckigen Kochtopf. Mit seinem Taschenmesser schnitt er ein großzügiges Stück Käse ab und warf es dazu. Während er gelegentlich umrührte, wenn es zu brodeln begann, trank er sein Bier aus und nahm sich aus dem Kühlschrank ein neues.
Er schaute gerade in den Topf, ob der Käse schon geschmolzen war, als die Türglocke schrillte, die er bei seinem Einzug installiert hatte. Sie war laut genug, dass man sie überall im Haus hören konnte.
Karns zog seine 9-mm-Pistole aus dem Halfter und lud sie, ehe er die Waffe wieder in den Halfter unter seinem Arm steckte. Leise ging er zur Haustür und spähte durch ein Guckloch, das in die Wand gebohrt war. In der Tür war zwar ein Spion, aber er diente nur zur Ablenkung. Wenn man dort hindurchschaute, bestand die gute Chance, eine Kugel ins Auge zu bekommen.
Es dauerte einen Moment, bis er den jungen Farbigen auf der Veranda erkannte. Er wurde Tek genannt und hatte sich nach dem Maßstab der Drogendealer ziemlich weit aus seinem Territorium hinausgewagt. Karns blickte aus dem Fenster und sah einen zweiten zappeligen Jugendlichen, der auf dem Bürgersteig Wache schob. Er hatte gehört, dass Teks Lieferant, also quasi sein Kollege, vor ein paar Nächten hochgenommen worden war und Tek Mühe habe, einen neuen zu finden. Außerdem hieß es, dass so mancher sehr daran interessiert sei, Teks Bezirk zu übernehmen.
Karns öffnete die Tür einen Spalt und trat zur Seite, wobei er darauf achtete, dass der junge Mann auf dem Bürgersteig ihn nicht sehen konnte. Tek verstand die offene Tür als Einladung und trat ein.
»Mach hinter dir zu. Bist ziemlich weit weg von daheim, nicht wahr, Tek?«
Der junge Mann blickte sich nervös um und versuchte, in die Küche zu schauen. »Und?«
»Wie ich höre, hast du’s derzeit schwer, Zeug zu beschaffen – und einige Leute sollen dir ja ziemlich auf den Pelz rücken.«
Tek funkelte ihn wütend an und grinste gehässig.
Karns blieb gelassen. Seiner Erfahrung nach konnte keiner der hiesigen Dealer auch nur eine Scheunenwand auf zehn Schritt treffen, wahrscheinlich nicht mal mit einer Panzerhaubitze. Er traute sich ohne weiteres zu, dass er mit seiner 9-mm-Pistole und genügend Munition frei und offen die Straße hinunter spazieren und einen nach dem anderen umlegen könnte, ohne selbst einen Kratzer abzubekommen. Vermutlich würden sie sich bei einer Schießerei höchstens gegenseitig abknallen. Falls dieser kleine Nigger eine Waffe ziehen würde, hätte er eine Kugel im Kopf, ehe seine Hand auch nur den Pistolengriff erreicht
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