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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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das gesagt? Aber immer wieder gab es ein elftes, ein einundzwanzigstes Mal. Ich zögerte – und je länger ich zögerte, desto größer wurde mein Unbehagen.
    Das Rauschen und Knistern im Lautsprecher wurde unterbrochen.
    »Noch einmal Kolibri -Tower, Nummer Neun . Wir vermissen Ihre Meldung. Kommen!«
    Die Entscheidung war mir abgenommen. Schluß mit dem Zögern!
    »Keine Beanstandungen, Kolibri -Tower. Ich befinde mich unverändert auf Sollposition. Alle Anzeigen normal. Kommen.«
    »Roger, Neun . Ihre Anzeigen sind alle normal, Sie haben keine Beanstandungen. Dann also Petri Heil, Commander!«
    Die gewohnte Nüchternheit ergriff wieder von mir Besitz. Meine Hand legte sich auf den Regler.
    »Danke, Kolibri -Tower. Ich setze den Testflug fort mit dem Tauchprogramm. Ende.« Der Kolibri neigte sich dem Pazifischen Ozean zu, und der gläserne Spiegel begann mit atemberaubender Geschwindigkeit auf mich zuzurasen.
    Unterwegs unter den Sternen, wenn der Flug ruhig und ereignislos verläuft, magst du dann und wann deinen Gedanken nachgehen. Das Schiff zieht gleichmäßig und unbeirrbar seine Bahn, du selbst aber bist in Gedanken weit, weit fort. Anders verhält sich das jedoch, wenn das Schiff eintritt in die sogenannte kritische Phase der Erprobung . In diesem Augenblick verschmilzt der Pilot mit seinem Schiff zu einer Einheit; seine ganze Aufmerksamkeit konzentriert sich auf das Manöver, auf Handgriffe, Armaturen und Instrumente. Nicht einmal Aufregung, geschweige denn Furcht vermag er zu empfinden, denn dafür bleibt ihm keine Zeit.
    So erging es auch mir. Mein Kolibri durchstieß die Wasseroberfläche, und in seinem Inneren schaltete sich die Beleuchtung ein. Ich registrierte das normale Funktionieren des Triebwerkes und richtete den Blick auf den Tiefenmesser, auf dem plötzlich große glühende Zahlen zu erkennen waren:
    100
    200
    300
    400
    500
    Vor den Bullaugen war es Nacht geworden. Ich befand mich tief unter dem Meeresspiegel; bis hierher reichte kein Tageslicht mehr.
    Zu diesem Zeitpunkt glich mein Kolibri einem Pfeil, der senkrecht abwärts schoß, einem fernen, unsichtbaren Meeresboden entgegen: mühelos, gleichmäßig und gehorsam. Nur ein leises, monotones Rauschen war zu hören, in das sich das Ping-ping-ping des Echolotes mischte.
    Ich kontrollierte den Monitor des Landradars; die Umschaltung auf Unterwasserbetrieb war automatisch erfolgt: die Anzeige war klar und deutlich. Unter mir lag nichts als Wasser; kein Hindernis, das mir gefährlich werden konnte, zeichnete sich ab.
    In tausend Metern Tiefe fing ich den Kolibri ab und legte ihn vorübergehend auf Horizontalkurs.
    » Kolibri Neun . Wie ist die Verständigung, Kolibri -Tower? Kommen!«
    »Ich höre Sie laut und deutlich, Nummer Neun , laut und deutlich. Kommen!«
    »Meine Tauchtiefe beträgt jetzt tausend Meter. Das Schiff manövriert zu meiner vollständigen Zufriedenheit. Ich habe gestoppt und wieder gezündet. Alle Anzeigen sind normal. Ich setze das Tauchprogramm fort und melde mich wieder. Ende.«
    »Roger, Neun . Sie melden sich wieder.«
    Es war eine andere Einsamkeit, die mich hier umschloß, als jene unter den Sternen. Dort oben war alles Raum und Unendlichkeit, hier jedoch empfingen mich Dunkelheit und Beklemmung. Versuchsweise schaltete ich den Außenscheinwerfer ein, aber alles, was ich dabei zu sehen bekam, war milchiges Wasser – eine schweigende Welt ohne Anhaltspunkte. Die Bahn, die der Scheinwerfer in die Dunkelheit schlug, konnte ebensogut zehn wie tausend Meter lang sein. Das grelle Licht vor den Bullaugen war lediglich lästig. Nach ein paar Sekunden schaltete ich den Scheinwerfer wieder aus.
    Die großen glühenden Zahlen zeigten, daß mein Kolibri erneut zu sinken begonnen hatte. Diesmal kombinierte ich den Tauchvorgang mit einem Rudermanöver, so daß aus dem Sinken eine spiralförmige Abwärtsbewegung wurde. Dabei belauerte ich das Triebwerk. Mein Mißtrauen war überflüssig. Wie von den Technikern der VEGA errechnet und geplant, bändigten die Reduktoren die ausgestoßene Energie in vorschriftsmäßiger Weise. Alle Armaturenanzeigen boten das gewohnte beruhigende Bild.
    Zweitausend Meter waren erreicht: Zeit für den zweiten Test. Erneut brachte ich den Kolibri auf Horizontalkurs, um gleich darauf das Triebwerk zu stoppen.
    » Neun. Kolibri -Tower, kommen!«
    » Kolibri -Tower ist auf Empfang, Neun . Kommen!«
    »Zweite Triebwerkskontrolle. Tauchtiefe zweitausend Meter. Triebwerk gestoppt. Alle Anzeigen normal.

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