Mark Bredemeyer
Wozu sich für eine Frau in Lebensgefahr begeben? Sie waren austauschbar, wie alles andere auch. Er selbst hatte nie eine längere Beziehung gehabt. Stets waren diese an seinen immerzu wechselnden Einsatzorten für die Bundeswehr gescheitert. Am Ende war er sogar jahrelang ins Ausland abberufen worden, nach Italien, Ex-Jugoslawien und Afghanistan. Überall hatte er seine Beziehungen gehabt, doch sie waren stets rein sexueller Natur gewesen, die Frauen selbst hatten ihn nie ernsthaft interessiert. Sie redeten ihm zu viel über Gefühle und das ging ihm schon so lange er sich erinnern konnte auf die Nerven. Sex ja – quatschen nein! Damit war er immer gut gefahren. Eigentlich war er mit dieser Einstellung sogar stets erfolgreich beim weiblichen Geschlecht gewesen. Irgendwie schienen die auf sein Machogehabe zu stehen, erklären konnte er sich das jedenfalls nicht.
Aber er hatte auch seine einfühlsameren Momente. Zum Beispiel Julia gegenüber. Er fand, dass er sie verdammt überzeugend eingewickelt hatte. Mit ruhiger Stimme und sanftem Blick. Wenn er wollte, konnte er es ja. Doch war es natürlich nur Berechnung und Manipulation. Irgendetwas an ihr reizte ihn.
Aber hatte Leon denn gar nichts von seinen Genen mitbekommen? Konnte er so anders sein? Sein LEBEN riskieren für so eine blöde chaukische Bäuerin? Es war unglaublich! Dabei hatte er doch die hübsche kleine Julia hier! Die würde er selbst jedenfalls nicht so einfach von der Bettkante stoßen.
Aber gut, für Leon würde er sich zurückhalten. Schließlich brauchte der Junge eine Perspektive und einen Halt hier bei ihm. Er würde ihn langsam wieder aufbauen, ein Produktionsverfahren für die Patronen finden und dann seinen großen Siegeszug antreten!
Herrliche Bilder spielten sich in seinem Kopf ab. Wie in einem Film sah er sich auf einem Podium vor einem riesigen Palast stehen. Er hielt eine Kalaschnikow in die Luft und feuerte einige Schüsse ab. Massen jubelten ihm zu und feierten ihn als ihren König, nein, Kaiser! Er würde die Römer zuerst aus Germanien vertreiben, dann die Stämme vereinigen. Mögliche Widersacher würde er ausschalten, insbesondere Marbod, den mächtigen Markomannenkönig. Was war mit Arminius, dem Cheruskerfürsten? Von diesem hatte er bislang noch nicht einmal etwas gehört, doch er kannte natürlich den Lauf der Geschichte. In der Schule hatte er einst gelernt, dass Augustus vor Gram bald nach dem Verlust der drei Legionen in Germanien sterben würde – als gramgebeugter alter Mann. Augustus war jetzt in einem hohen Alter, das wusste er, also würde es in den nächsten Jahren passieren! Ein gewisser Arminius würde eine große Stammeskoalition bilden und viele Tausend der besten Krieger unter sich vereinen. Krieger, die er, Bliksmani, für seine eigenen Pläne brauchte! Doch wie konnte es sein, dass er noch nichts von diesem Mann gehört hatte? Schon bald musste er zu den Cheruskern aufbrechen, um sich Klarheit zu verschaffen und diesen Arminius kennenzulernen. Entweder Marbod und Arminius unterwarfen sich ihm und erkannten seinen Führungsanspruch an, oder er würde sie erschießen wie streunende Schakale! Er würde die Geschichte umschreiben!
Ging das überhaupt? Ein ums andere Mal hatte er sich diese Frage bereits gestellt. Wenn in den Geschichtsbüchern des 21. Jahrhunderts stand, dass Arminius im Jahre 9 die Römer vernichtend geschlagen hatte, wie konnte er dies dann ändern? Wenn er seine Pläne tatsächlich umsetzte, hätte er dann nicht in der Schule etwas über Bliksmani, den Befreier und Vereiniger der germanischen Stämme, lernen müssen? Bedeutete es, dass dem nicht so war, dass er zwangsläufig scheitern würde? Welche Folgen für die Zukunft hatte sein Handeln hier? Doch eigentlich war es ihm egal, er würde diese Fragen nicht lösen können. Fakt war, dass er hier war! Und Fakt war ebenfalls, dass einige alte Zauberweiber offenbar dafür verantwortlich waren. Angeblich hatten sie eine Form von »Magie« zur Verfügung, von der die moderne Wissenschaft seiner Zeit nichts ahnte. Jahrtausendealt und zum Aussterben verurteilt.
Verdammt, er würde endlich auch mit diesen alten Weibern sprechen müssen! Das wollte er schon vor dem letzten Winter getan haben, er war aber aufgrund der zahlreichen Kampfhandlungen nie dazu gekommen. Wenn sie ihm jedoch wegstarben, würde er nie mehr über seine Anwesenheit hier erfahren.
Langsam schlug er die Augen auf. Er wollte gleich mal nach Leon schauen und versuchen
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