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Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
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sie unsanft mit dem Fuß an und bedeutete ihr, sich aufzurichten. Mit leeren und tief liegenden roten Augen blickte Julia hoch, am ganzen Körper schlotternd vor Schüttelfrost. Das Entsetzen über die Entwicklungen der letzten Tage sowie das Fieber, das in der Nacht dazugekommen war, hatten sie dermaßen mitgenommen, dass sie sich von der grausamen Realität verabschiedet zu haben schien. Und doch zog sie in reflexartiger Bewegung den einst rosaroten, weichen Frottierbademantel, der nun vor Dreck starrte, vor ihrer Brust eng zusammen und achtete darauf, dass er auch möglichst viel von ihren Beinen bedeckte. Dass Hetigrim sein Messer zog und auf sie zukam, kümmerte sie dagegen schon nicht mehr. Der Tod war mittlerweile ein zu willkommener Ausweg aus ihrer Lage. Sie würde ihn annehmen. So ließ sie sich ohne Gegenwehr die Haare mit rau und hastig geführten Schnitten vom Kopf schneiden. Fast mit Bedauern stellte sie tief in ihrem Bewusstsein fest, dass sie wohl weiter am Leben blieb.
    Triumphierend hielt Hetigrim kurze Zeit später das Büschel blonder Haare hoch, band es mit einigen Hanffasern zusammen und verstaute es dann in einem kleinen Lederbeutel. Julia wurde auf eines der stämmigen Pferde gehoben, nun wohl mit Rücksicht auf die weitere Unversehrtheit der Ware, dann marschierte die Truppe in nördlicher Richtung durch den Wald davon.
    Julia bekam von der Reise nur wenig mit. Eine heftige Erkältung hatte sie mittlerweile in ihrem unbarmherzigen Griff und zerrte an ihren verbliebenen Kräften. Bei jeder Hustenattacke verkrampfte sie sich auf dem Pferderücken und musste sich dabei fast wieder übergeben. Ihr Magen war allerdings so leer, dass es nur bei einem bitteren Würgen blieb.
    Gegen Mittag bekam sie Fieber und fiel in einen dämmrigen Halbschlaf, vor Erschöpfung, Schmerz und Krankheit nur noch ein schlaffes Stück Fleisch, hin und her geschüttelt auf einem Pferderücken. Die Erniedrigungen und die Qualen der Misshandlungen hatten zusätzlich all ihren Abwehrwillen zunichtegemacht, sodass man sie zum Sterben einfach nur noch hätte ablegen müssen. Aber die drei langobardischen Krieger sahen in ihr so etwas wie eine Wertanlage. Sie wollten Julia gegen Pferde eintauschen und das bedeutete, dass die Ware halbwegs brauchbar sein musste.
    Vor ihnen lag nun unter tief hängenden Wolken am grauen Himmel eine ausgedehnte Moorlandschaft, durchschnitten von einem schmalen Holzbohlenweg. Nach allen Seiten hin waren silbrig schimmernde Wassertümpel und wild wuchernde Grasbüschel zu sehen, so weit das Auge reichte. Dies war der einzige Weg im weiteren Umkreis zum Wiesenfluss hin, wo das römische Heerlager Phabiranum lag – dort, wo es für eine weibliche Sklavin zwei oder drei Pferde gab, je nach Zustand der Frau.
    Thiustri wandte sich an Hetigrim. »Sollten wir nicht bis morgen warten mit der Durchquerung des Moores? Das Mädchen könnte wieder ein wenig zu Kräften kommen!«
    Verächtlich schaute Hetigrim ihn an. »Du weißt, dass wir nicht warten können! Ingimundi erwartet uns! Von mir aus bekommen wir nur zwei Pferde für ihren schlechten Zustand!« Er machte eine abfällige Handbewegung und spuckte ins feuchte Gras.
    Alle zogen ihre Umhänge dicht um ihre Köpfe und versuchten dabei, ebenfalls die Unterarme abzudecken. Thiustri schritt auf Julia zu und warf einige Decken über ihren Kopf, die Schultern und Beine, sodass auch sie einigermaßen geschützt sein würde vor der bevorstehenden Mückenplage. Es war zwar noch früh im Jahr, doch die letzten Wochen waren feucht und mild gewesen. In den weitläufigen Moorgebieten reichte eine kurze Wärmephase im Frühjahr bereits, um Heerscharen von blutsaugenden Stechmücken heranwachsen zu lassen.
    »Wenn sie stirbt, bekommen wir gar kein Pferd!«, entgegnete Thiustri und richtete sich gerade auf. An seinem kräftigen, braun gebrannten Hals pochte eine Ader und seine schwere Klauenkette unter dem dichten, langen Bart gab ihm das Aussehen eines wilden Braunbären.
    Dennoch machte Hetigrim einen drohenden Schritt auf Thiustri zu. »Wir machen es so, wie ich es sage! Sie ist vielleicht eine Unfreie, ein Nichts, weniger wert als ein Kaninchenfell! Doch ich stehe im Wort bei Ingimundi, ich werde seine Tochter sichten, den Brautpreis aushandeln und dann heiraten – und ich werde ihn nicht enttäuschen! Wir brauchen die chaukischen Stammesführer, wenn wir nicht die Nächsten sein wollen, die der verfluchte Feuerbart Ahenobarbus besiegt! Ein Volk nach dem anderen

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