Mark
in
Mark verliebt zu sein. Zumindest, bevor er selbst verliebt gewesen war. Daniel
stellte sich vor, dass Carl ihm eine seiner Reden hielt, wie dumm es war, sich
zu verlieben, und manchmal half das.
Wenn es nicht half, redete er sich ein, dass es
schon irgendwann besser werden würde. Und es war tatsächlich so. Er spürte
nichts mehr, wenn er Mark aus Versehen ansah. Er dachte nicht mehr daran, dass
sie einmal Freunde gewesen waren. Es kam ihm schon vor, als wäre es Jahre her,
er hätte nicht einmal schwören können, dass es tatsächlich so gewesen war. Fast
glaubte er, es wäre nur ein Traum gewesen, so absurd kam es ihm jetzt vor. Doch
selbst nach einem halben Jahr hatten sie immer noch nicht einmal miteinander
geredet. Es schien niemandem aufzufallen, da Daniel schließlich auch mit den
meisten anderen nicht sehr viel redete. Erst als er darüber nachdachte, fiel
ihm auf, dass er doch öfter mit den anderen redete als früher. Vielleicht lag
es daran, dass Arne ihn nicht mehr ärgerte und sie nicht mehr so viele waren.
Da musste man sich einfach besser kennenlernen. Und selbst wenn man jemanden
nicht sehr mochte, grüßte man ihn oder fragte mal, ob er die Hausaufgaben schon
gemacht hatte. Aber selbst ein „Hallo“ konnte er von Mark nicht erwarten.
Einmal hatte ihr Englischlehrer sie eingeteilt,
zusammen zu diskutieren. Sie hatten sich zehn Minuten angeschwiegen. Dann hatte
Daniel ihm in die Augen gesehen. Mark hatte leicht den Mund geöffnet, und
Daniel hatte die vage Hoffnung gehabt, er würde nun doch noch etwas sagen, aber
das hatte er nicht getan.
Schließlich fragte Daniel sich, ob er noch in Mark
verliebt war oder nicht. Insgeheim hatte er sich das oft gefragt, aber er hatte
den Gedanken immer beiseitegeschoben. Konnte man denn überhaupt in jemanden
verliebt sein, mit dem man nie sprach? Er war schon einige Male zu dem Schluss
gekommen, dass er es nicht mehr war. Denn es vergingen Wochen, in denen er kaum
an Mark dachte. Dann jedoch waren die Gedanken wieder da, die ihn am tiefsten
in den Abgrund zogen. Was wäre, wenn ... Was wäre gewesen, wenn er länger
gewartet hätte ... Warum hatte Mark sich von ihm berühren lassen? Hatte er
nicht lange gezögert, bevor er den Arm weggezogen hatte. Warum sah er ihn
manchmal mit diesem Blick an, der so unendlich traurig war? Wieso war er nicht
mit Hanna zusammen, die ganz offensichtlich auch in ihn verliebt war?
Und er dachte, dass, wenn er nicht in Mark verliebt
wäre, er ihm egal sein müsste. Dann stellte er sich vor, dass Mark von einem
Schiff fiel. Würde er ihn retten? Würde er ihm eine Niere spenden, wenn er sonst
sterben würde? Er beantwortet alles mit Ja. Da konnte er sich oft genug sagen,
dass das alles niemals geschehen würde, dass er viel zu romantische
Vorstellungen hatte. Aber dieses „Ja“ konnte er nicht einfach vergessen.
Wenn ihn das Gefühl überkam, dass es niemals besser
werden würde, dass er niemals jemand anderen finden würde und es auch nicht
mehr half, sich Filme anzuschauen, dann stellte er sich vor, dass es nicht mehr
lange hin war, bis er nach Berlin ziehen und Mark niemals wiedersehen würde,
bis er tun und lassen konnte, was er wollte. Bis er endlich nichts mehr lernen
musste, was ihn nicht interessierte, sondern den ganzen Tag damit verbringen
konnte, kreativ zu sein, sich irgendwelche Designs auszudenken.
Sein Abizeugnis lag von Folie geschützt vor ihm. Es
fühlte sich fast unwirklich an, nachdem er so lange darauf gewartet hatte. Es
war nicht besonders gut, aber seine Eltern hatten sich nicht beschwert.
Er trug immer noch den Anzug. Seine Mutter war so
begeistert gewesen, wie er darin aussah, und hatte ihn überredet, ihn
anzuziehen. Er ging in sein Zimmer und steckte das Zeugnis sorgfältig in den
Koffer. Der Anblick des vollkommen ordentlichen Zimmers war seltsam. Er hatte
alle seine Sachen, die er mitnehmen wollte, in drei Koffer gepackt. Die Einrichtung,
in der er ein FSJ machen würde, stellte ihm ein Zimmer mit Möbeln. Er würde
Filmvorführungen mit kleinen Kindern machen und danach mit ihnen darüber reden
oder was basteln. Er hatte keine Ahnung, ob er das konnte oder ob es Spaß
machen würde, aber allein der Gedanke, endlich hier wegzukommen, ließ ihn
lächeln. Obwohl es jetzt doch ein komisches Gefühl war, sein Zimmer so leer zu
sehen, ohne seine Plakate und ohne seine Sachen, die den Boden bedeckt hatten.
Seine Mutter hatte gesagt, er könnte jederzeit kommen und hier schlafen, aber
wenn er
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