Mark
haben. Da half wohl nichts. Er
drückte den Finger auf den Klingelknopf. Mike würde nicht erfreut sein. Aber es
kam kein Ton. Er drückte noch einige Male. Dann fiel ihm ein, dass die Klingel
seit zwei Wochen nicht funktionierte. Er sah nach oben, natürlich waren alle
Fenster dunkel. Dann sah er die Straße herunter, da stand Mark und sah ihn an.
„ Hast du deinen Schlüssel
vergessen?“, fragte er.
Es war eine ganz normale Frage. Aber es kam Daniel
vor, als hätte er es sich eingebildet. Hatte Mark wirklich etwas zu ihm gesagt?
„ Muss ihn verloren haben.“
Nach einem Jahr Schweigen redeten sie über einen
Schlüssel.
„ Ich glaube, wir haben einen für
euer Haus.“
Mark schloss seine eigene Haustür auf. Das hatte er
ganz vergessen. Früher hatte Marks Großtante immer einen Ersatzschlüssel für
sie gehabt, und Daniels Mutter hatte ihn dort gelassen, zur Sicherheit.
Langsam ging er näher zu Marks Haus und blieb einige
Schritte vor der Tür stehen.
Mark kramte in einer Schublade in einer Kommode im
Flur. „Wie sieht er aus?“
Daniel trat näher. Wie sahen Schlüssel schon aus?
„Eckig.“
Mark hielt einen hoch, aber der war viel zu groß.
„Hier ist er nicht.“
Na toll, dachte Daniel. Es war sein letzter Abend
hier, er redete das erste Mal wieder mit Mark, und er hatte keine Ahnung, was
er jetzt tun sollte.
Mark sah noch in anderen Schubladen nach, aber der
Schlüssel war nicht zu finden. „Meine Eltern sind nicht da, sonst ...“ Mark sah
sich im Raum um und schüttelte dann den Kopf. Er wusste wohl nicht, wo er noch
suchen sollte.
„ Deine Eltern sind nicht da?“,
fragte Daniel überrascht.
„ Nein. Sie sind in unserem alten
Zuhause. Heute ist der fünfte Todestag meines Bruders.“
„ Oh, das tut mir leid. Waren deine
Eltern auch vorhin nicht da?“
Mark schüttelte den Kopf. Es musste hart sein, wenn
die Eltern lieber ihres toten Sohns gedachten als das Abitur des lebenden zu
feiern.
Mark kratzte sich am Kopf. Wenn er sehr betrunken
war, so merkte man es nicht an seinen Bewegungen. Nur sein Blick war etwas
getrübt. „Dann schlaf doch hier.“
Daniel starrte Mark an. Die ganze Situation kam ihm
ziemlich absurd vor. Daniel wollte ablehnen, aber was sollte er dann tun? Er
war müde, und die Nacht eh nicht mehr lang.
„ Wirklich?“
„ Ja.“
Daniel rührte sich nicht. Würde er wirklich schlafen
können, in Marks Haus?
„ Hör mal“, fing Mark mit unsicherer
Stimme an. „Es tut mir leid.“
Er sagte nicht, was ihm leid tat. Dass er nicht mit
ihm geredet hatte? Alles?
Daniel nickte nur.
Endlich schaltete Mark das Licht im Wohnzimmer ein,
und das schien ihm die Befangenheit zu nehmen. „Du kannst auf dem Sofa
schlafen, ich glaube, es ist etwas unbequem. Ich gebe dir gleich eine Decke.
Oder in dem Sessel, den kann man ausziehen.“
Mark ging die Treppe nach oben und verschwand hinter
der Toilettentür. Kaum war er wieder herausgekommen, ging Daniel ebenfalls zur
Toilette. Er musste so dringend, dass er es kaum noch aushielt. Als er die Tür
wieder öffnete, stand Mark direkt davor. „Ich hab noch nicht Zähne geputzt. Du
kannst meine Zahnbürste benutzen.“
Daniel wartete, während Mark sich selbst die Zähne
putzte, und betrachtete sich im Spiegel. Er trug immer noch den Anzug. Seine
Krawatte hatte er beim Tanzen gelockert. Sein Hemdkragen war verknittert. Wieso
hatte er sich nur überreden lassen, diesen Anzug anzuziehen? Seine Augen
wirkten müde. Seine Haut klebte vom getrockneten Schweiß. Seine Haare standen
wild zu allen Seiten ab.
Mark sah dagegen noch erstaunlich frisch aus, auch
wenn Daniel den Eindruck hatte, dass er doch ein wenig betrunken war. Er redete
zwar normal, dafür schien er sich jedes Wort vorher überlegen zu müssen. Er
überreichte ihm nun seine Zahnbürste. Fast hätte Daniel laut gelacht. Es war
wirklich komisch. Nach allem standen sie nun hier und teilten sich eine Zahnbürste.
„ Du gehst jetzt nach Berlin?“,
fragte Mark.
Daniel nickte nur, den Zahnpastaschaum im Mund.
Er hatte von den anderen mitbekommen, dass Mark
Zivildienst in Süddeutschland machen würde, wo genau, wusste er nicht.
„ Komisch, dass wir jetzt miteinander
reden, oder? Ich habe nichts gegen dich, weil du ... na ja. Hatte ich nie, ich
wollte nur, dass du das weißt.“ Daniel starrte Mark an, während er weiter die
Bürste über seine Zähne bewegte.
„ Du musst denken, dass ich feige
bin, bin ich ja auch. Ich wollte es dir so oft sagen, ich weiß
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