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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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ganz
selbstverständlich bei ihm. Trabte nebenher, schaute ihn aus diesen
unergründlichen Augen von der Seite an. Sie waren ein Team. Sie waren beide
unabhängige Geister. Kamen ohne Worte aus.

VIER
    Verjagt aus dir selber, entweichst du dir nicht.
    An jedem Morgen wiederholte sich das Spiel. Seppi legte
allergrößten Wert auf seinen Vormittagsschlaf und hob nur grunzend den Kopf.
Schönen Tag, Alter, arbeit du nur, schien er zu sagen. Hund müsste man sein.
Hund – nicht Töle. Hund – nicht einer dieser Kläffer, Beißer oder Leinenzieher,
wie sie der »Hundeprofi« im Fernsehen immer zurechtzubiegen hatte. Seit er
Hundebesitzer war, schaute sich Gerhard das ab und zu an und war immer kurz vor
dem Erbrechen. Der arme Hundeflüsterer, um den Job war er nicht zu beneiden.
Wie sollte so ein Tier denn anders werden als neurotisch, wenn Herrchen
unentwegt redete, schwafelte, quiekte, fluchte, gestikulierte. Er und Seppi
hatten sich auf die minimalinvasive Tour geeinigt. Seit er den Hund hatte, gab
er nur klare Befehle. Selten hob er die Stimme. Er war auch nicht ironisch.
Tiere hatten keinen Sinn für Ironie. Kaum war er heute, an einem heißen
Dienstag, im Büro, warf sich ihm der Kollege in den Weg.
    »Da is einer, der will zu Ihnen.« Felix Steigenberger deutete zur Tür.
»Der will was melden, aber nur bei Ihnen.« Er klang überrascht, wie es jemand
allen Ernstes anstreben konnte, freiwillig mit Weinzirl reden zu wollen.
    Gerhard verzog leicht die Mundwinkel und wedelte irgendwie mit der
Hand. Wenig später trat ein Mann ein – im Schlepptau eine junge Frau und ein
junger Typ, die beide so aussahen, als hätten sie was anderes mit dem Tag
vorgehabt.
    Den Mann kannte er. Das war das Dorfoberhaupt des aufstrebenden
Moorbads am Rande der Alpen, das sich damit brüstete, dass Rumgelunger im Moor
kinderlosen Paaren endlich zum ersehnten Moorbaby verhelfen würde. Jo sprach
das »Bad« in »Bayersoien« englisch aus. Sei es drum, das Wort »Moorbaby« ließ
in Gerhard immer etwas unschöne Bilder aufsteigen. Das war der kernige
Sportlehrer, der ein Bürgermeister war. Oder andersrum. Der sportliche und
sportelnde Bürgermeister, der auch noch Lehrer war.
    Gerhard hatte den Mann bei früheren Treffen als recht gradaus
empfunden, nicht immer als Meister der Diplomatie. Das war gut, und so machte
der Bürgermeister auch jetzt keine Umschweife.
    »Die zwei haben Ihnen was zu erzählen!«
    Die zwei guckten, als stünden sie vor der Klasse an der Tafel und
wüssten nicht mal ihre Namen, geschweige denn den Imperativ von »ambulare« oder den Subjonctif von »parler« oder Goethes fünf wichtigste Werke oder das Datum
der Eröffnung des Panamakanals – oder was die Schulbildung denn so vorgesehen
hatte für die Kids. Setzen, Sechs! Da die beiden beharrlich schwiegen, hob der
Dorfhäuptling an zu erzählen, weil er netterweise Gerhards Zeit nicht mit den
beiden Stummen verschwenden wollte. Und was er zu sagen hatte, schwemmte
plötzlich einige innere Bilder wieder an die Oberfläche. Obenauf lag ein Bild
von Baier mit Sprechblase: Sehe ich auch so. Dahinter spitzte der tote Leo Lang
heraus, der komatöse Wächter. Der zweier Kameras beraubt worden war.
    Und die, ja die hatten die beiden jungen Leute nun entdeckt.
Allerdings nicht irgendwo, sondern in einer Höhle, die sich unweit der
Echelsbacher Brücke befand und die einst als Steinbruch für massive Quader für
den Bau des Klosters in Ettal gedient hatte. Ein Stollen, den nur noch wenige
kannten, weil der Eingang ziemlich versteckt lag und man sich zudem erst mal
durch ein enges Loch quetschen musste. Aber wie das so ist mit derlei Geheimplätzen,
geheim ist gleich spannend. Verboten ist gleich Neugier weckend. Das Moorbad
machte den Ort natürlich nicht bekannt, auch wegen der Haftung. Wäre ja nicht
so werbewirksam, wenn so ein beherzter potenzieller Moorbabyzeuger in einem
Stollen umkäme, bevor er noch das Moorbaby gezeugt hätte.
    Allein der Lindauer senior, der Mann, der jeden Steig in der
Ammerschlucht kannte, jeden Quadratzentimeter, jeden Stein und jede Höhle, war
so eine Art Hüter der Schlucht. Er war der Wissende, all die anderen einte eine
gehörige Portion Halbwissen und Abenteuerlust. Der Herr Bürgermeister war auch
so einer, der erst kürzlich mit Austauschschülern aus Tschechien drin gewesen
war. Er hatte auch den Lindauer befragen müssen, wo der Eingang denn sei –
schlicht ein Platz, der nicht allzu häufig frequentiert wurde. Es sei denn

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