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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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deren
Transport allein schon eine Meisterleistung gewesen sein musste. Der
Bürgermeister zeigte ihm einen Zugang zu einem weiteren Stollen, sie aber blieben
im selben Kirchenschiff, an dessen Ende die Kameras lagen. Achtlos auf den
Boden gekippt, daneben eine größere schwarze Tasche, wohl die Sachen der
Standfotografin. Gerhards Hirnbirn funzelte an den Wänden entlang.
    »Haben die zwei was angefasst?«
    »Sie sagen, nein. Sie hatten tatsächlich einen Geistesblitz, die
Marken der Kameras zu notieren und dann schnell zu verschwinden. Flori wollte
das Ganze verschweigen, aber bei Irene ist da wohl so was wie
Verantwortungsbewusstsein durchgebrochen. Ist eh ein gutes Mädchen. Aus einer
Bauernfamilie, aber die Tochter in Ettal. Bauern, die wissen, dass Bildung eine
Chance bedeutet. Die dazu stehen, nicht sagen: ›Ein Quali oder die Realschul’
reicht doch.‹ Manchmal möchte man grad ans Gute glauben.«
    Nun ja, Gerhards Job war weniger dazu angetan, ans Gute zu glauben.
Und das Gute im Menschen entdeckte er selten. Und in dem Fall schon gar nicht,
denn nun war der Mord an Leo Lang von einem unerfreulichen Raubmord zu einem
kniffligen Mordfall geworden. Der schwammige Leo musste irgendjemandem
ordentlich das Kraut ausgeschüttet haben, dass er sterben musste. Oder warum
sonst war er nun tot? Hier in der Kühle der Höhle war die Welt so weit weg.
Draußen war da, wo die Sonne alles so gnadenlos erhellte. Wo sie jede Furche
und Kerbe ins Licht rückte. Wo sie Schweiß als Tribut forderte. Gerhard hasste
Hitze, die Winterdunkelheit mochte er zwar auch nicht, aber er hatte das
Gefühl, dass sein Allgäuer Gebirgsblut über achtundzwanzig Grad zu kochen
begann. Er hätte am liebsten alle Tage fünfzehn bis zwanzig Grad gehabt,
vielleicht sollte er nach Irland auswandern? Berge gab’s da auch. Und Bier. Und
schweigsame Menschen.
    »Geben Sie mir noch ein paar Minuten? Ich möchte den Tatort auf mich
wirken lassen«, sagte er zum Bürgermeister. »Schicken Sie schon mal die
Spurensicherung rein? Ich komm gleich nach.«
    Der Bürgermeister funzelte davon, das Licht wurde immer fader, bis
es ganz weg war, Gerhard löschte seine Hirnbirn. Was für ein Satz! »Ich möchte
den Tatort auf mich wirken lassen.« So was sagte er nie. Das war Weibergewäsch.
Baier hätte ihn in die Anstalt eingewiesen. Wirken lassen … Darum ging es auch
gar nicht. Gerhard hatte seinem Leben ein paar Minuten Dunkelheit und Ruhe
abgerungen, er musste Kraft tanken, denn nun ging es los, und irgendwas sagte
ihm, dass er es mit hektischen Ermittlungen zu tun bekommen werde. Mit vielen
Sackgassen. Er atmete tief durch. Er hätte ewig hier sitzen können. War das
normal? Nannte man so was Burn-out, weil man sich erst gar nicht traute, ein
deutsches Wort für das eigene Versagen am Leben auszusprechen? Er atmete
nochmals durch, hierher würde er zurückkommen. Der Ort tat ihm gut, obgleich
andere hier wahrscheinlich klaustrophobisch würden. Er war nicht normal, na
gut, das wusste er bereits. Lichter kamen näher. Gerhard erklärte den Kollegen,
worauf es ihm ankam, und machte sich auf den Weg nach draußen. Die Höhle hatte
ihn abgekühlt; er bat den Bürgermeister, für eventuelle Fragen zur Verfügung zu
stehen.
    »Können Sie versuchen, den beiden Höhlenturteltäubchen klarzumachen,
dass sie die Klappe halten?«
    »Versuchen ja«, lächelte der Bürgermeister.
    »Tun Sie’s.« Das klang grimmig. Gerhard wusste, dass es schier
unmöglich war, Menschen zum Schweigen zu verdonnern. Wenn der Mund überlief und
endlich mal was Sensationelles passiert war. Denn außer Raufereien beim
Stadelfest, dem üblichen Wer-mit-wem, Livesex hinterm Bauwagen, den kichernde
Kids dann auf ihre Handys bannten, gab es wenig an Abwechslung. Wer wollte da
schweigen? Gerhard hoffte dennoch auf den kernigen Bürgermeister, denn was er
nun gar nicht brauchen konnte, waren Menschenmassen, die in diese Höhle
stolpern würden. Schweigen, warum war das so schwer? Vielleicht hatte das auch
der Mörder gedacht und Leo zum Schweigen gebracht. Mit der einzigen wirklich
todsicheren Methode.

FÜNF
    Die Fahnen wahren den Schein.
    Hefte den Blick nicht an sie,
    wend ihn nicht ab,
    zahl nicht den Brückenzoll.
    Als der Bürgermeister mit seinem Safariwagen weggefahren war, blieb
Gerhard unschlüssig stehen. Die Abkühlung war nur von kurzer Dauer gewesen, der
Schweiß rann ihm schon wieder den Rücken hinunter. Er musste die pfiffigen
Kriminaltechniker informieren, die würden

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