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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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von
einem Liebespaar, wobei Gerhard sich nettere Plätze als eine feuchte Höhle
hätte vorstellen können.
    Die tiefergelegte Landjugend fuhr ja in diesen Breiten gerne mal
Audis, A 3 oder A 4, immer in Schwarz, und da gab es doch
bestimmt bequeme Sitze. Die Audi-Begeisterung hatte ihm noch niemand erklären
können, auch nicht, warum es denn nicht ein röhrender BMW sein sollte. Nur eins war klar: Porsche fuhr hier
keiner, den gab’s weltweit nun mal nicht mit Anhängerkupplung.
    Jedenfalls hatten die beiden Liebenden, Romeo und Julia der
Grottenolme, bei ihrem Intermezzo in der Höhle zwei teure Filmkameras und
weiteres Equipment entdeckt und immerhin so viel Hirn beweisen, das dem
Bürgermeister zu melden. Die junge Frau hatte drauf bestanden, sie hatte nun
auch zu ihrer Stimme zurückgefunden.
    »Weil da doch das in Peiting gewest isch mit dem Leo. Und dene
Kameras. Und da hob i gseht, dass mir des melden müssen.« Ja, ja. Sie hatten
sogar die Typen notiert, den Zettel bekam Gerhard nun vorgelegt, und es waren
eindeutig die Kameras vom Filmdreh in Peiting.
    Eins war klar: Um sie zu verticken, hatte die keiner da abgelegt.
Die Feuchtigkeit war sicher nicht dazu angetan, ihren Wiederverkaufswert zu steigern.
Der Raubmord war fingiert gewesen. Gerhards erste Ahnung und Baiers
untrügliches Gespür für Ärger waren richtig gewesen. Gerhard fühlte sich auf
einmal so schwer, obwohl er einige Kilo abgenommen hatte. Einfach so, er hatte
das Essen vergessen.
    Der Mord lag über eine Woche zurück. Die Filmgesellschaft hatte neue
Kameras, die Versicherung hatte gelöhnt. Leo war längst unter der Erde, der
Burschenverein hatte sein exzessives Trauertrinken nun wieder auf das Normalmaß
dörflichen Stammtischtrinkens heruntergefahren. Es war so was wie Normalität
eingekehrt. Und nun tauchten diese Kameras auf. In einem Stollen in der
Ammerschlucht. Ausgerechnet!
    Am liebsten hätte er den Bürgermeister und die Kids angeschnauzt, ob
sie sich mal überlegt hätten, was das für ihn bedeutete. Er riss sich am
Riemen, bedankte sich, bat Melanie herein, ein Protokoll aufzunehmen, und
wandte sich an den Bürgermeister: »Wir müssen da rein. Sofort, wenn’s geht. Ich
informier meine Leute. Können Sie uns führen?«
    »Natürlich.«
    Sie verabredeten sich am südseitigen Brückenkopf. Als Gerhard und
die Spurenleser eintrafen, lehnte der Bürgermeister an seinem Wagen. Ein Auto,
das Gerhard Bewunderung abrang. Ein Expeditionsfahrzeug, ein cooles Teil. Sie
gingen ein kurzes Stück eines geteerten Wegs steil bergab, als der
Bürgermeister plötzlich stoppte. Er hielt ein paar Büsche und mannshohe
Brennnesseln zur Seite; kaum waren sie durch, schlug die grüne Wand wieder
hinter ihnen zusammen. Gerhard sprach plötzlich leiser, die Bewegungen wurden
langsamer, es war, als hätte die Schlucht sie umfangen. Sie waren vielleicht
fünfzig Meter von einer viel befahrenen Bundesstraße entfernt und doch so weit
weg von den Asphaltlebensadern, die dem Leben der modernen Freizeitmenschen die
Richtung vorgaben. Ein Pfad ging abwärts, und Gerhard war verwundert, wie
zerfurcht die Schlucht war. Sie war durchzogen von Wegen. Sie spielte mit
verschiedenen Geländestufen; von oben, von der Brücke, hätte man meinen mögen,
die Schlucht stürze einfach nur senkrecht in den Fluss.
    Aber das hier war ein Zauberwald, ein »Herr der Ringe«-Wald, hier
hätte man einen Ritterfilm drehen müssen, »Robin Hood« oder ein Fantasymärchen.
Moosbewachsene Felswände wuchsen aus dem Waldboden, eine Höhle wurde sichtbar.
    »Die nicht!«
    Der Bürgermeister stieg weiter abwärts. Vor einigen Steinbrocken,
auch denen im Mooskleid, blieb er stehen. Die Sonne fand Wege ins Dickicht,
malte hellgrüne Flecken ins dunkle Moosgrün. »Da!« Der Bürgermeister wies auf
ein Loch im Boden, das man wirklich kennen musste, um es als Höhleneingang zu
identifizieren. Er rutschte als Erster hinein, Gerhard hinterher.
    Gut, dass er etwas schmaler geworden war, für Adipositasgebeutelte
war das kein guter Weg. Die ersten Schritte waren mehr ein gebücktes Klettern
und Balancieren auf großen Felsbrocken, da war wohl mal was eingestürzt. Was,
wenn sich der Höhlengeist gerade heute gestört fühlte und an den Wänden rütteln
würde? Gerhard fühlte sich unwohl, ein Gefühl, das wich, je höher und weiter
der Raum wurde. Eine unterirdische Kathedrale war das, man konnte genau sehen,
wo die Steinblöcke gehauen worden waren, riesenhafte Tortenstücke,

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