Markttreiben
kalt-warmes
Abendbüfett zu den Klängen einer Tanzkapelle, für den Sonntag diverse
Wettkämpfe und ein abschließendes Abendessen.
Schon vor Wochen hatte Hans Rot
begonnen, Fanni zum Mitkommen zu bewegen. Zuerst hatte sie schlichtweg
abgelehnt. Hans war ihr daraufhin mit allen möglichen Argumenten auf die Nerven
gefallen. Zu guter Letzt hatte er ihr sogar zugestanden, während der Wettkämpfe
am Sonntag ihrer eigenen Wege zu gehen. »Du kannst den ganzen Tag machen, was
du willst – lesen, wandern, in der Sonne liegen. Erst zum Abendessen musst du
im Festsaal erscheinen.«
Fanni hatte Nein gesagt.
Als Hans Rot zwei Tage später
noch mal damit anfing, hatte sie wieder – und sehr entschieden – Nein gesagt.
Er fiel aus allen Wolken, als er
zwei Wochen vor dem Jubiläumstermin einen letzten Versuch startete und ein Ja
zu hören bekam.
Fanni hatte inzwischen erfahren,
dass Sprudel anreisen und im Hotel Zur Waldbahn in Zwiesel absteigen würde. Und
natürlich hatte sie sich für den Sonntag mit ihm verabredet. Zwiesler Waldhaus
schien ihr dafür ein günstiger Treffpunkt, denn der Ort lag genau in der Mitte
zwischen Bayrisch Eisenstein und Zwiesel am Fuße des gut dreizehnhundert Meter
hohen Falkenstein.
Gegen sieben erschien Fanni –
frisiert, umgezogen und mit einem Hauch Lippenstift geschminkt – im Festsaal.
»Was hast du bloß den ganzen Tag
gemacht?«, fragte Hans Rot. »Seit dem Frühstück hast du dich nicht mehr blicken
lassen.«
»Nichts Erwähnenswertes«,
antwortete Fanni. »Ein Stück gelaufen, ein Stündchen gelesen …«
»Alle anderen Ehefrauen haben
bei den Wettkämpfen zugesehen, haben Kaffee ausgeschenkt und Kuchen
aufgeschnitten. Nur du warst wie vom Erdboden verschluckt.«
»Wir hatten doch ausgemacht …«,
begann Fanni sich zu verteidigen. Aber ihr Mann hörte nicht mehr hin. Er hatte
sich bereits seiner anderen Tischnachbarin zugewandt.
Fanni löffelte ihre Suppe und
dachte über das verunglückte Mädchen nach – Annabel Scheichenzuber.
Der Stein, von dem sie fiel,
überlegte Fanni, ist keine anderthalb Meter hoch. Selbst wenn Annabel auf
seiner Spitze Pirouetten gedreht hätte, wie sollte sie sich beim Herunterfallen
das Genick brechen? Unten liegt bloß Reiser herum, das einen Sturz eher
abgefedert hätte, als eine schwere Verletzung zu verursachen.
Sie muss mit dem Kopf auf dem
Stein aufgeschlagen sein!
»Hm«, machte Fanni und legte den
Löffel neben den leeren Teller. Man schlägt nicht einfach so mit dem Kopf auf
einen Felsbrocken. Dazu müsste man direkt davor über ein Hindernis stolpern,
was bei Annabel nicht infrage kommt, weil sie unterhalb des Steins lag. Sie
hätte weiter oben hinfallen, auf den Felsblock aufschlagen und dann darüber
hinwegsegeln müssen.
Vielleicht ist sie
dagegengelaufen!
Hangaufwärts? Dazu fehlte ihr
wohl der nötige Schwung. Es sei denn … Es sei denn, sie wäre gestoßen worden.
Großartig! Ganz großartig!
Miss Marple aus Niederbayern gelingt es, einen Bergunfall als Mordtat zu
verkaufen!
Der Schweinebraten wurde
serviert.
Fanni schob den fetten
Fleischbrocken an den Tellerrand und zerteilte den Semmelknödel.
»Nach der Autopsie sehen wir
weiter«, murmelte sie dabei.
Halt , schrillte es in ihrem Kopf, die Polizei wird
weitersehen! Du, Fanni Rot, wirst das Ergebnis der Autopsie nicht erfahren!
Dich, Fanni Rot, geht das alles überhaupt nichts an!
»Schmeckt’s nicht?«
Fanni schreckte hoch. Hans Rot
nahm sich das Fleischstück von ihrem Teller und drehte sich wieder seiner
anderen Tischnachbarin zu.
Man sollte sich ausgiebig mit
der blonden Heide unterhalten, dachte Fanni, als sie die halbe Erdbeere, die
den Sahnepudding krönte, in den Mund steckte. Das Schälchen mit dem Rest ihres
Nachtisches tauschte sie gegen das bereits leere ihres Mannes aus.
Heide und Annabel haben an den
Wochenenden in der Falkenstein-Hütte Seite an Seite gearbeitet – samstags
bestimmt bis in die Nacht hinein. Heide müsste eine Menge über Annabel zu
erzählen haben.
Richtig, Miss Marple vom
Bayerwald! Und Heide wird sicher alles, was sie weiß, zum Besten geben – vor
der Polizei nämlich, falls die sich dafür interessiert. Halt du dich raus,
Fanni Rot! Du hast dir zu Hause in Erlenweiler schon genug Feinde gemacht;
vergangenes Jahr, als du mit Sprudel zusammen im Fall Mirza ermittelt hast.
Willst du jetzt im gesamten Nationalpark in Misskredit geraten, indem du wieder
alle möglichen Leute ausfragst, in ihren Privatangelegenheiten
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