Marlene Suson 1
würde nicht im Traum daran denken, seine Pflichten mit mir zu teilen.‚
Obwohl Morgan sich mühte, seine Worte beiläufig klingen zu lassen, erkannte Rachel doch den bitteren Unterton in seiner Stimme. „Hast du Royal Elms deshalb verlassen? Weil Jerome nicht bereit ist, seine Pflichten mit dir zu teilen?‚
Ein anerkennendes Lächeln umspielte Morgans Lippen. „Klu- ges Kind. Aber da wir gerade von meinem Herrn Bruder sprechen, ich glaube, ich mache mich jetzt lieber auf die Suche nach ihm und finde heraus, weshalb er mich kommen ließ.‚
Jerome konnte seine Erleichterung nicht verbergen, als Morgan ins Arbeitszimmer trat. Er sprang von seinem Stuhl auf und sagte: „Gott sei Dank, daß du da bist! Ich hatte dich erst morgen er- wartet.‚
„Deine Botschaft klang so dringend, daß ich mich lieber gleich auf die Hufe gemacht habe.‚
„Ich brauche deine Hilfe.‚ Er stockte und fragte dann: „Warum siehst du mich so komisch an?‚
„Weißt du eigentlich, Jerome, daß dies das erstemal ist, daß du mich um Hilfe bittest? Was soll ich tun?‚
„Mir helfen, für Rachels Sicherheit zu sorgen.‚ Jerome berich- tete seinem Bruder von dem Fremden aus dem Wirtshaus. Schon der Gedanke, daß jemand das Leben seiner Frau bedrohte, drückte ihm das Herz ab.
„Das klingt ja genauso wie die Sache, die sich auf Wingate Hall abgespielt hat‚, sagte Morgan alarmiert.
„So ist es. Der Strolch ist nicht wieder in dem Wirtshaus auf- getaucht, und Ferris hat auch keine Spur von ihm gefunden, doch ich fürchte, wir haben ihn noch im Nacken. Ferris bewacht Ra-
chel, doch mir wäre es lieber, wenn ihr beide ihr nicht von der Seite weichen würdet.‚
„Ich tue, was immer du willst, doch wie ich sie kenne, würde sie deine Begleitung vorziehen.‚
Jerome seufzte. „Ich wünschte, das wäre möglich, aber ich habe einfach keine Zeit. Ich stecke bis über die Ohren in Arbeit.‚
Jerome sah, wie ein Schatten über Morgans Gesicht flog, als hätte seine Antwort ihn verletzt. „Ist der Besitz dir wichtiger als deine Frau?‚
Der Stich hatte gesessen. „Zumindest brauche ich mir keine Sorgen zu machen, daß er mich betrügt‚, raunzte er.
Traurig schüttelte Morgan den Kopf. „Du traust Rachel immer noch nicht. Sollte sie dir eines Tages wirklich untreu werden, dann trägst du allein die Schuld daran.‚
„Ach ja? Weil es mir nicht gelungen ist, ihre Liebe zu gewin- nen?‚ Jerome wußte inzwischen, wie sehr er sich das wünschte, und es fraß an ihm, daß sie noch nie – auch nicht im Bett, wenn sie sich liebten – ein Wort der Liebe gesagt hatte. „Ich wünschte bei Gott, ich wüßte, wie sie ich sie erringen kann.‚
„Du hast sie ja längst.‚
„Was?‚
„Weshalb, glaubst du, wollte sie dich unbedingt heiraten?‚
„Um Lord Felix zu entwischen.‚ Dieses Wissen war ein Haken in Jeromes Herzen. „Sie hat mir gegenüber noch nie ein Wort der Liebe verlauten lassen.‚
„Weil ich sie davor gewarnt habe, bevor sie dich entführte. Ich kenne dich, Jerome. Hätte sie von Liebe gesprochen, dann hättest du ihr kein Wort geglaubt.‚
Jerome wollte auffahren, doch dann kam ihm zum Bewußt- sein, daß Morgan recht hatte. Genauso hätte er reagiert, und er hätte Rachel gehaßt, weil er geglaubt hätte, daß sie ihm etwas vormachte.
„Rachel stand von vornherein auf verlorenem Posten‚, fuhr Morgan mit eindringlicher Stimme fort. „Wenn sie etwas gesagt hätte, hättest du ihr nicht getraut, und weil sie nichts gesagt hat, traust du ihr auch nicht.‚
Auch wenn Jerome innerlich dagegen aufbegehrte, er mußte seinem Bruder recht geben.
„Warum, zum Teufel, hast du ihr den Eindruck vermittelt, du hättest sie nur geheiratet, um mich auf den rechten Weg zu führen?‚
„Das habe ich doch gar nicht! Ich sagte nur ... Verdammt, sie hat mich mißverstanden.‚ Jerome seufzte. Er hatte offenbar ein Talent, seiner Frau weh zu tun, auch wenn er es gar nicht wollte.
Als Rachel und Jerome an diesem Abend allein in seinem Schlaf- zimmer waren, sagte sie: „Ich glaube, Morgan hat unser musika- lisches Terzett heute abend sehr genossen. Er singt genauso gut wie du.‚
Jerome tändelte müßig mit den Schleifen, die den Verschluß ihres Nachthemds bildeten. „Vielleicht werden die Veränderun- gen, die du auf Royal Elms bewirkt hast, ihn dazu bringen, sich hier wieder zu Hause zu fühlen‚, sagte Jerome mit hoffnungsvol- ler Stimme, fügte dann allerdings weniger hoffnungsfroh hinzu: „Doch ich
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