Marlene Suson 1
Stunde auf Royal Elms eingetroffen war, hatte er seinen Bruder noch nicht gesehen.
Bevor Jerome noch etwas sagen konnte, fragte Morgan: „Möchtest du mir freundlicherweise verraten, was hier eigent- lich vorgeht?‚
„Das habe ich dir doch in meinem Brief geschrieben. Rachel betrügt mich mit Anthony Denton.‚ Es erstaunte Jerome, wie weh es tat, diese Worte laut auszusprechen, selbst seinem Bru- der gegenüber.
„Das glaube ich nie und nimmer.‚ Morgan schüttelte den Kopf. „Sie kann nichts dafür, wenn dieser idiotische Birkhall mit Denton eine solche Wette abschließt. Rachel würde dich nie betrügen.‚
„Das habe ich auch gedacht, bis ich die Briefe gelesen habe, die sie an Denton geschrieben hat.‚ Jeromes Stimme war heiser vor Bitterkeit. „Warte, ich zeige sie dir. Dann wirst du gleich ganz anders über sie denken.‚
Er zog die Briefe aus der Tasche und reichte sie Morgan. Wäh- rend sein Bruder sie las, zog Jerome noch weitere Blätter aus der Tasche und breitete sie auf einem Mahagonitisch am Fen- ster aus.
Morgan schaute von den Briefen auf. Man sah ihm die Betrof- fenheit an. „Ich kann nicht glauben, daß Rachel das geschrieben hat. Sie liebt dich viel zu sehr. Es müssen Fälschungen sein.‚
Jerome nahm ihm die Briefe aus der Hand und legte sie neben die Blätter, die auf dem Tisch am Fenster lagen. „Dies sind die Briefe, die Rachel mir in London geschrieben hat.‚ Während Morgan sie eingehend betrachtete, fuhr Jerome fort: „Du siehst, daß ihre Handschrift sehr ausgeprägt ist. Sie ist völlig unver- wechselbar.‚
Nachdem Morgan die verschiedenen Briefe verglichen hatte, sagte er völlig ratlos: „Ich muß zugeben, daß es ihre Schrift ist. Wie hat sie diese Briefe erklärt?‚
„Ich dachte, wenn ich sie ihr präsentiere, würde sie wenigstens dann mit der Wahrheit herausrücken. Aber weit gefehlt. Sie log weiter und bestritt, die Briefe geschrieben zu haben. Als wenn es da irgendeinen Zweifel geben könnte.‚
Wieder schüttelte Morgan den Kopf. „Es will mir einfach nicht in den Kopf. Ich hätte mein Leben verwettet, daß Rachel dich nie betrügt.‚
„Und weil du das geglaubt hast, hast du sie die ganze Zeit weitermachen lassen. Verdammt, Morgan, ich hatte mich dar- auf verlassen, daß du aufpaßt. Aber du hast mich enttäuscht. Du hast ihr ermöglicht, die Nächte mit Denton im Witwensitz zu verbringen.‚
Mit offenem Mund starrte Morgan ihn an. „Was, zum Teufel, redest du da? Das ist völlig ausgeschlossen. So sehr es mir auch gegen den Strich ging, ich habe mich an deine Anweisung ge- halten und sie nicht aus dem Haus gelassen.‚
„Wußtest du, daß Denton einen Tag nach ihr hier aufge- taucht ist?‚
„Ja. Er wollte einen Besuch auf Royal Elms machen, und Ra- chel hat ihm unmißverständlich erklärt, daß sie ihn haßt und nie im Leben wiedersehen will. Sie glaubt, daß Denton dir vor- gelogen hat, sie hätte eine Affäre mit ihm.‚
„Sie ist eine bemerkenswerte Schauspielerin, findest du nicht auch?‚
Morgan sah ihn an, als könnte er die Welt nicht mehr verste-
hen. „Jerome, ich kann beim besten Willen nicht glauben, daß sie diese Szene nur gespielt hat. So etwas kann man nicht schau- spielern.‚
„Sie schon.‚ Jerome mußte daran denken, mit welch vollen- deter Überzeugungskraft sie ihm einsuggeriert hatte, daß sie ihn liebte. „Wozu wäre Denton sonst hier, wenn nicht um meine Frau ins Bett zu kriegen und damit seine verfluchte Wette zu gewinnen?‚
„Mag sein, daß er aus diesem Grund hergekommen ist, aber ich bin davon überzeugt, daß er nicht mit deiner Frau geschla- fen hat.‚
Jerome hätte alles gegeben, um Morgan glauben zu können, doch die Beweise, die gegen Rachel sprachen, waren einfach erdrückend. „Natürlich hat er. Mit wem sonst sollte er seine Nächte im Witwensitz verbringen?‚
„Statt Vermutungen darüber anzustellen, wollen wir lieber der Wahrheit auf den Grund gehen‚, erklärte Morgan entschlos- sen. „Wir werden dem Witwensitz einen Besuch abstatten.‚
Als Rachels Tränen versiegt waren, kam sie zu einem Entschluß. Sie würde, nein, sie konnte gar nicht mit einem Mann zusam- menleben, der Zweifel daran hegte, der Vater des Kindes zu sein, das sie unter dem Herzen trug.
Während ihres kurzen Aufenthalts in London hatte sie erfah- ren, was für ein schlimmes Schicksal dem Kind einer Dame von Adel bevorstand, wenn ihr Ehemann die Vaterschaft ableugnete. Das unschuldige Kind wurde seiner Mutter
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