Marlene Suson 1
gestanden hatte, als sie nach der im Kavaliershaus verbrachten Nacht nach Wingate Hall zurückgekehrt waren.
Würde aus ihren Augen je wieder Liebe und Glück leuchten, wenn sie ihn ansah? Würde sie je wieder vor Lust und Leiden- schaft brennen, wenn sie in seinen Armen lag?
Sein Herz blutete, wenn er daran dachte, was seine Eifersucht und sein Mißtrauen angerichtet hatten.
Rachel ging zum Stall hinunter, um sich zu erkundigen, wie es den beiden Kätzchen ging, die sie Benjys Fürsorge anvertraut hatte.
Als Rachel in der schnellen Chaise, die sie in Leicester gemietet hatte, auf Wingate Hall eingetroffen war, war der Empfang viel wärmer gewesen, als sie erwartet hatte. Die Dienstboten hatten sich alle gefreut, was sie nicht überraschte, doch sogar Tante So- phia hatte den Eindruck gemacht, als freute sie sich.
Das hatte Rachel sehr verwundert, zumal Onkel Alfred krank zu Bett lag. Er litt an einer geheimnisvollen Krankheit, die ihn so geschwächt hatte, daß er unter keinen Umständen gestört werden durfte.
Erstaunlich war auch, daß Sophia, die sonst um jeden Penny feilschte, den Kutscher anstandslos bezahlt hatte.
Nachdem Sophia Rachels Geschichte gehört hatte, überraschte
sie ihre Nichte abermals mit dem Mitgefühl, das sie an den Tag legte. „Natürlich kannst du nicht zurück zu so einem Mann. Es ist eine Unverschämtheit von Westleigh, derartig schlecht von dir zu denken.‚
Dann ließ Sophia sich über den Punkt aus, der für Rachels Ent- scheidung, ihren Mann zu verlassen, aussschlaggebend gewesen war. „Ich darf gar nicht an dein armes ungeborenes Kindchen denken! Wie ich Westleigh kenne, würde er dir das bedauerns- werte Wurm aus den Armen reißen und zu fremden Leuten geben. Mich schaudert, wenn ich mir vorstelle, was ihm bevorstünde. Das darfst du nicht zulassen, liebes Kind. Nein, du mußt hier auf Wingate Hall bleiben.‚
Das alles sah Tante Sophia überhaupt nicht ähnlich, doch Ra- chel war zutiefst erleichtert, daß endlich jemand da war, der sie verstand und der ihr vor allem glaubte.
Verrückterweise hatte Rachel das Bedürfnis, ihren Mann trotz allem zu verteidigen. „Ich kann ihm nicht mal einen Vorwurf machen, nachdem ich die Briefe selbst gesehen habe. Du würdest es nicht glauben, Tante Sophia. Die Handschrift sah haargenau so aus wie meine.‚
Sophia kniff die Augen zusammen. „Hast du irgendeine Ah- nung, wer dafür verantwortlich sein könnte?‚
„Auf der ganzen Fahrt hierher habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen. Mir ist nur eine Möglichkeit eingefallen, und die ist so unwahrscheinlich, daß ich es eigentlich gar nicht sagen möchte. Lady Oldfield kann mich auf den Tod nicht leiden.‚
„Von dieser Frau habe ich auch unerfreuliche Dinge gehört‚, sagte Sophia. „Weiß dein Mann, wo du bist?‚
„Nein. Ich habe ihm nicht verraten, daß ich nach Wingate Hall wollte. Ich habe ihn nur gebeten, nicht nach mir zu suchen.‚ Ra- chels Stimme zitterte. „Wahrscheinlich ist es ihm ohnehin gleich- gültig. Er haßt mich so, daß er sicher froh ist, mich los zu sein.‚
Als Rachel nun den Stall erreichte, wandten ihre Gedanken sich wieder den beiden Kätzchen zu. Sie hoffte, daß Benjy gut für sie gesorgt hatte.
Als der junge Stallbursche sie sah, kam er herbeigerannt, ein breites Grinsen auf seinem sommersprossigen Gesicht. „M’lady, M’lady, Se sin’ wieder da! Hab’ Se vermißt, die anner’n auch.‚ Sein Gesicht wurde traurig. „Tut mer leid um die arm’ Kätzch’n. Weiß ja, daß Se se lieb g’habt ha’m.‚
„Was ist denn passiert?‚ fragte Rachel erschrocken.
Der Junge wirkte überrascht. „Ich dacht’, seine Gnad’n oder sein Bruder hätt’n’s Ihn’ gesagt.‚
„Was denn gesagt?‚
„Sin’ tot, de arm’ Viecher. Vergiftet.‚
„Was?‚ stieß Rachel entsetzt hervor. „Wo?‚
„Im Lab’rint. Hab se gefun’n. Lag’n ganz steif ne’m den leer’n Milchnapf.‚
„Aber niemand außer dir wußte, daß ich sie im Labyrinth ver- steckt hatte. Wann hast du sie gefunden?‚
„Am Tag, wo Se mit Sein’r Gnad’n weg sin’. Er hat se erst gefun’n. Hab geseh’n wie er auss’m Lab’rint kam. Sah aus, wie wenner ein’n ermor’n wollt. Dann isser ins Haus un’ hat Se raus- geschleppt. Hatter Ihn’ nix gesagt?‚
„Nein. Wahrscheinlich hat er gar nichts davon gewußt.‚
„O ja, hatter‚, versicherte Benjy. „Sein Bruder hat mer ja dann g’fragt, ob ich se begra’m hab’.‚
Rachel erinnerte sich an den
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