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Marlene Suson 1

Marlene Suson 1

Titel: Marlene Suson 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Mitternachts-Braut
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farblich passenden Hosen. Er schien am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen. Sein Mondge- sicht unter der gepuderten Perücke war weiß wie die Wand. Er rang die Hände und zitterte wie Espenlaub, als wollte er einen Veitstanz aufführen.
    „Es tut mir unendlich leid, mich verspätet zu haben‚, sagte er an die Allgemeinheit gewandt und heftete dann den Blick auf Lord Felix. „Meine ganz besondere Entschuldigung gilt natürlich Ihnen, Euer Gnaden‚, fuhr er devot fort. Offensichtlich hielt er den Stutzer für den Herzog. „Es ist jedoch nicht meine Schuld. Ich wurde von Gentleman Jack, dieser Geißel der Landstraße, überfallen und ausgeraubt.‚
    Überrascht bemerkte Rachel, daß der Herzog, der den Neuan- kömmling bisher mit gelangweiltem Desinteresse betrachtet hatte, plötzlich aufhorchte.
    Ihr Blick glitt zu Fletchers Hand, an der er gewöhnlich einen protzigen Smaragdring trug, dessen Stein so groß wie ein Wach- telei war. Der Ring war fort, wie vermutlich auch die prall gefüllte Börse, die Fletcher stets mit sich führte.
    Gut gemacht, Gentleman Jack, dachte Rachel zufrieden. Der von ihr im stillen bewunderte Straßenräuber suchte sich mit un- fehlbarer Sicherheit immer solche nichtswürdigen Lumpen wie Sir Waldo und Lord Creevy aus, die es nicht besser verdienten.
    Am meisten freute es sie, daß der Bandit seine Beute an- schließend an die armen Menschen verteilte, die unter der harten Hand seiner Opfer zu leiden hatten. Rachel war sicher, daß Sir Waldos geschundene Arbeiter schon bald in den Genuß der Beute Gentleman Jacks kommen würden. Mit großer Wahrscheinlich- keit brauchten sie diese Hilfe auch dringend.
    Sophia wies auf den leeren Stuhl ihr gegenüber. „Nehmen Sie doch Platz, Sir Waldo.‚ Und einem der Lakaien befahl sie: „Ein Glas Wein für Sir Waldo.‚
    Mit heftig zitternder Hand ergriff Fletcher das Weinglas, führte es zum Mund und leerte es in einem Zug. Der Lakai schenkte nach, der Baronet leerte es, und der Lakai füllte es zum drittenmal.

„Hat meinen kostbaren Ring gestohlen, der verfluchte Kerl‚, klagte Sir Waldo. „Und meine ganze Börse. Hatte tausend Pfund darin, mindestens.‚
    Da Rachel wußte, was für ein Aufschneider Sir Waldo war, ging sie davon aus, daß er die Summe verdoppelt hatte.
    „Warum kann man diesen Strolch nicht endlich dingfest ma- chen?‚ rief Sophia.
    Sir Waldo nahm einen ausgiebigen Schluck Wein, bevor er wütend antwortete: „Weil der Pöbel ihm hilft und ihn versteckt. Dieses dumme Landvolk verehrt ihn wie einen Heiligen.‚
    Mit Recht, dachte Rachel.
    Die Ernte war schlecht gewesen in den vergangenen zwei Jah- ren, und viele hatten hungern müssen. Daß sie wieder zu essen hat- ten, verdankten sie der Großzügigkeit des Straßenräubers. Früher einmal hatten die Leute von Wingate Hall sich darauf verlassen können, daß man ihnen durch magere Zeiten half. Doch das war vorbei, seitdem Sophia die Herrschaft an sich gerissen hatte.
    „Je eher sie diesen bösartigen, gottlosen Verbrecher aufhängen, desto besser‚, erklärte Sophia selbstgerecht.
    Rachel, die gesehen hatte, wieviel Gutes Gentleman Jack für die Landbevölkerung tat, sagte ruhig: „Ich glaube nicht, daß er bösartig und gottlos ist.‚
    Westleigh fuhr herum, und er musterte sie forschend. Vermut- lich hielt er es für skandalös, daß sie den Straßenräuber ver- teidigte, doch das war ihr gleichgültig. Gentleman Jacks Taten mochten vor dem Gesetz Unrecht sein, doch wenn sie die Men- schen vor dem Hungertod bewahrten, waren sie moralisch ge- rechtfertigt.
    „Man nennt ihn Gentleman Jack, weil er sich bei seinen Über- fällen immer wie ein solcher benimmt‚, sagte sie nachdrücklich. „Verletzt wird bei seinen Opfern stets nur ihr Stolz sowie der Inhalt ihrer Taschen.‚
    „Was für einen Schwachsinn du daherschwatzt, Mädchen!‚ rief Sophia. „Der Mann terrorisiert uns ehrbare Menschen.‚
    „Fühlen Sie sich nicht terrorisiert, Lady Rachel?‚ fragte der Herzog mit leisem Spott.
    Verspottete er sie, weil sie Gentleman Jack verteidigte?‚ „Nein, ganz und gar nicht, Euer Gnaden‚, gab sie trotzig zurück. „Und ich hoffe, daß man Gentleman Jack niemals fängt.‚
    „Hast du den Verstand verloren?‚ giftete Sophia.
    „Nein. Ich habe gesehen, wieviel Gutes Gentleman Jack tut.‚

Rachel wandte sich wieder dem Herzog zu. Aus einem unerfind- lichen Grund fand sie es wichtig, daß er sie verstand. Vermutlich würde er es nicht tun, doch sie mußte es

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