Marlene Suson 1
Oberteil weiter öffnete.
Ihr Gesicht brannte wie Feuer. Sie raffte ihren ganzen Mut zusammen und zog es aus. Nun hatte sie nichts mehr an als ihr dünnes weißes, mit winzigen Blumen besticktes Hemdchen. Jeromes Blick glitt hinab zum Ausschnitt, der so tief war, daß er kaum die Knospen ihrer Brüste bedeckte. Ein erstickter Laut entfuhr ihm. Der haßerfüllte Zorn wich unvermittelt aus seinen Augen, die wie gebannt an ihren halbentblößten Brüsten hingen.
Rachel hatte das Gefühl, als könnten diese Augen das hauch- dünne Material ihres Hemdchens durchdringen. Sie empfand sei- nen Blick wie eine körperliche Berührung. Die Knospen ihrer Brü- ste richteten sich auf, ein heftiger Schauer überlief ihren Körper, und plötzlich spürte sie ein erregendes Ziehen in ihrem Schoß. Sie war wie vor den Kopf geschlagen und völlig fassungslos über diese unbegreifliche Reaktion ihres Körpers.
Mit steifen, bebenden Fingern öffnete sie die oberste Schleife an ihrem Hemdchen, doch sein starrer Blick und ihr schon längst überfordertes Schamgefühl ließen sie innehalten. Sie hatte seinem
Blick schon unendlich viel mehr von ihrem Körper dargeboten, als je ein Mann gesehen hatte. Als sie neulich in seinem Zimmer seinen Kuß erwiderte, hatte er sie für frivol gehalten. Was würde er jetzt von ihr denken?
Dieser Gedanke untergrub ihre Entschlossenheit. Sie hatte ge- hofft, daß Jerome nach ihr verlangen würde, daß er zu der Ein- sicht kommen würde, sie ebenso zu lieben, wie sie ihn liebte. Doch jetzt war ihr klar, daß er es nicht tat.
Und nichts war schlimmer, als mit einem Mann verheiratet zu sein, der sie gar nicht wollte. Lord Felix wollte sie wenigstens, wenn auch aus den falschen Gründen. Rachel konnte es nicht über sich bringen, den Anweisungen des Straßenräubers weiter zu folgen. Sie wandte sich von Jerome ab und versuchte ihr Hemd wieder zu schließen, doch ihre Hände zitterten zu sehr.
„Wollen Sie jetzt etwa aufhören?‚ fragte Jerome mit sonderbar erstickter Stimme.
Sie nickte mit abgewandtem Gesicht, damit er die Tränen nicht sah, die ihr in die Augen getreten waren.
Wild fluchend zerrte Jerome so heftig an seinen Fesseln, daß das Blut aus den Schürfwunden an seinen Handgelenken tropfte.
„Du lieber Gott, hören Sie doch auf!‚ schrie Rachel und wir- belte herum. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie das Blut an seinen Handgelenken. Sie kam zum Bett und griff zu, um seine Hände festzuhalten. Doch sie konnte die Hand auf der anderen Bettseite nicht erreichen.
Sie mußte ihn unbedingt daran hindern, sich weiter solche Verletzungen zuzufügen. So war durchdrungen war sie von die- sem Gedanken, daß sie – ohne weiter darüber nachzudenken – aufs Bett kletterte und sich rittlings auf seine Brust setzte. Dann beugte sie sich vor, packte seine beiden Handgelenke und hielt sie fest.
Er lag jetzt ganz still. Er schien nicht einmal mehr zu atmen.
„Sind Sie in Ordnung?‚ fragte sie.
„Nein, zum Teufel!‚ stieß er gemartert hervor.
„Ihre Handgelenke sind in einem gräßlichen Zustand‚, jam- merte Rachel und kämpfte gegen die Tränen an. „Ich habe eine Salbe, die den Schmerz lindert. Ich hole sie, wenn Sie verspre- chen, nicht mehr an den Fesseln zu zerren.‚
„Ja, holen Sie sie, in Gottes Namen‚, krächzte Jerome. Haupt- sache, sie stieg von ihm herunter! Sie saß so weit oben auf seiner Brust, daß ihr weiblicher Duft ihm in die Nase stieg und ihn schier
irrsinnig machte. Kein Mann auf der Welt konnte das ertragen, ohne den Verstand zu verlieren.
Obwohl Jerome so zornig auf Rachel war, hatten ihre kindlich- naiven Versuche, ihn zu verführen, in gewisser Weise doch ihren Zweck erfüllt. Er begehrte sie jetzt mehr, als er je eine Frau in seinem fast dreißigjährigen Leben begehrt hatte. Und das machte ihn noch zorniger. Zornig auf sie und noch mehr auf sich selbst, weil er sich so schwach zeigte.
Rachel kletterte von ihm herunter, lief zu dem Schrank in der Zimmerecke und kam mit einem Salbentiegel wieder, dessen In- halt sie über seine auf geschundenen Handgelenke verteilte. Da- bei sah sie so todunglücklich aus, daß er fürchtete, sie würde in Tränen ausbrechen. Ihr Mitleid rührte ihn, obwohl er sich das nicht einmal selbst eingestand.
Der Schmerz an seinen Handgelenken war jedoch nichts, ver- glichen mit dem in seinen Lenden. Seine Männlichkeit schwoll und pulste gegen das lederne Gefängnis seiner Hose, die immer enger zu werden schien.
Er mußte diese
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