Marlene Suson 1
Dorfschenke und hat merkwürdige Fragen über die neue Herzogin gestellt.‚
Jerome erstarrte innerlich. Genau dasselbe war auf Wingate Hall passiert, bevor der Schuß im Wald fiel.
Ferris’ besorgtes Gesicht bestätigte Jerome, daß er ebenso dachte. „Der Mann wollte wissen, wie die Dienstboten mit der neuen Herrin auskommen, und ob es jemanden gibt, der sie nicht leiden kann.‚
„Und? Gibt es einen?‚
„Nicht, daß ich wüßte. Ich habe mich heute nach dem Mann umgesehen, aber er ist nirgendwo im Dorf aufgetaucht. Die näch- sten Abende werde ich in dem Wirtshaus verbringen, für den Fall, daß er sich wieder blicken läßt.‚
Jerome nickte. Er hatte eine furchtbare Angst, daß der Meuchel- mörder Rachel nach Royal Elms gefolgt war. Er hatte geglaubt, sie wäre in Sicherheit, wenn er sie heiratete und herbrachte. Doch die Gefahr lauerte offenbar immer noch.
„Laß sie nicht aus den Augen, Ferris‚, sagte er mit einer Stimme, die vor Angst ganz heiser war.
„Komm mit‚, forderte Rachel Jerome auf, als er am Abend zum Dinner herunterkam. „Ich habe eine Überraschung für dich.‚
Er hob eine Braue und fragte maliziös: „Noch vor dem Dinner?‚
Sie nickte, nahm seine Hand und zog ihn mit sich. Ihre Augen blitzten vor Erregung, und in dem blaßblauen Kleid wirkte sie so bezaubernd, daß Jerome ihr nur zu gern folgte.
Sie führte ihn zu dem kleinen Salon, in dem er sich früher so gern aufgehalten hatte. Manchmal hatte er abends dort im Erker gesessen, Gitarre gespielt und den wunderschönen Ausblick ge- nossen.
Als Jerome durch die Tür trat, blieb er wie angewurzelt ste- hen. Der Raum hatte sich in ein reizendes, intimes Eßzimmer verwandelt, mit einem runden Tisch in der Mitte. Was ihn je- doch am meisten überraschte, waren nicht die beiden Gedecke auf dem Tisch, sondern die Stühle. Sie waren mit dem gleichen Brokatstoff bezogen, aus dem auch die Vorhänge am Fenster waren.
Verblüfft drehte er sich zu Rachel um. „Wie ist das möglich? War das früher schon einmal ein Eßzimmer?‚
„Wußtest du das nicht?‚
„Nein.‚ Jerome kam sich ein bißchen töricht vor. Seine Frau hatte nur ein paar Tage gebraucht, um etwas zu entdecken, das er, der sein ganzes Leben hier verbracht hatte, nicht wußte.
Rachel lächelte. „Ich habe Anweisung gegeben, daß das Dinner heute hier serviert wird. Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Ich finde es irgendwie deprimierend, wenn wir beide in diesem riesi- gen Speisesaal unter den Augen so vieler Lakaien essen müssen.‚
Jerome ging es ebenso, und die Vorstellung, dieser Strapaze zu entgehen, entzückte ihn.
„Es wird uns auch nur ein Lakai bedienen. Er wird während des Dinners draußen in der Halle warten, bis wir ihn rufen.‚
Jerome war begeistert von dem Gedanken, das Abendessen in diesem hübschen kleinen Raum zusammen mit seiner Frau ein- zunehmen.
Als die Suppe serviert und der Diener hinausgegangen war, fragte Jerome: „Wann wurde dieser Raum denn als Eßzimmer benutzt?‚
„Bis dein Vater Herzog wurde. Er befahl, das Dinner im großen Speisesaal zu servieren.‚
„Mein Vater! Ich hätte es wissen müssen.‚ Jerome hatte den Speisesaal immer gehaßt, doch sein Vater hatte behauptet, es sei Tradition, in diesem Rahmen zu speisen. Und Traditionen müßten unter allen Umständen gewahrt werden.
Nun entdeckte Jerome, daß diese Tradition erst mit seinem Va- ter begonnen hatte.
„Ich habe erfahren, daß bis zu dem Zeitpunkt, da dein Vater den Titel erbte, dieser Raum zu einer Zimmerflucht gehörte, die dem privaten Familienleben vorbehalten war. Ich würde sie gern wieder diesem Zweck zuführen.‚
Jerome hatte nicht das geringste dagegen einzuwenden. Auch ihn bedrückte die Größe des Hauses von Zeit zu Zeit. „Eine gute Idee‚, sagte er beifällig.
Rachel fragte Jerome, wie der Rest seines Tages gewesen sei. Normalerweise sprach er nie mit jemandem über seine Probleme, doch ihre sachkundigen, gescheiten Fragen brachten ihn dazu, ihr viel mehr anzuvertrauen, als er je einem Menschen anvertraut hatte. Nicht einmal Morgan.
Das Interesse seiner Frau an Royal Elms erfüllte ihn mit tie-
fer Freude, wie auch ihre klugen Bemerkungen und Vorschläge. Kein Wunder, daß ihr Vater ihr die Leitung von Wingate Hall zugetraut hatte.
Nach dem Dinner war Jerome sicher, noch nie im Leben eine Mahlzeit auf Royal Elms so genossen zu haben. In diesem anhei- melnden, behaglichen Zimmer war er auch viel entspannter als in dem Prunksaal.
Als
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