Marlene Suson 2
war, konnten er und seine Frau die Vergan- genheit hinter sich lassen und ein neues Leben beginnen.
Kate kam zu Stephen herüber. „Es stimmt also doch? Sie sind wirklich Lord Arlington?“
Er nickte. „Es scheint Sie nicht besonders traurig zu machen, daß Ihr Mann ins Gefängnis wandert.“
„Wenn ich das Dreckstück das nächstemal sehe, hoffe ich, daß er vom Galgen baumelt.“
„Welch frommer Wunsch“, bemerkte Stephen trocken.
„Er hat es redlich verdient. Ich bin am ganzen Leibe grün und blau.“ Sie schob ihren Ärmel hoch, und Stephen sah zahllose Blutergüsse auf ihrem Arm, einige frisch, andere schon etwas älter, wie die Farbe verriet.
Stephen fuhr bei dem Anblick zurück. Demnach war Kate dem Zorn ihres Eheherrn doch nicht entronnen. „Kein Wunder, daß Ihnen die Witwenschaft so verlockend erscheint.“
„Er hat mich nur geheiratet, weil er hochfliegende Pläne hatte und als feiner Herr nach England zurückkommen wollte.“
„Neville Griffin sagt, daß wir die Beweise für Flynts kriminelle Vergangenheit Ihnen zu verdanken haben.“
„Er hatte mehrere Steckbriefe in einem Geheimfach seines Schreibtischs versteckt. Ich glaube, er war stolz darauf, daß auf seinen Kopf so viel Geld ausgesetzt war.“ In Kates Augen blitzte es boshaft auf. „Als ich sie per Zufall fand, dachte ich mir, daß ich eines Tages vielleicht Verwendung dafür haben könnte. Deshalb habe ich sie auch mitgebracht.“
Dann wandte sie sich Griffin zu und sah ihn mißtrauisch an. „Werden Sie Ihr Wort halten und mich vor ihm beschützen? Und verhelfen Sie mir auch zu meiner Freiheit?“
„Ihr Mann wird Sie nie wieder belästigen, und frei sind Sie jetzt schon. Ich fahre gleich nach London zurück. Wollen Sie mich begleiten?“
„Mit Vergnügen.“ Kate nahm den Arm, den Griffin ihr reichte, und rauschte wie eine große Dame hinaus.
Am Abend – Stephen und Megan waren schon im Bett – teilte er ihr endlich mit, daß er am nächsten Morgen in aller Frühe nach London aufbrechen wollte. Er hatte diese Mitteilung so lange wie möglich aufgeschoben, weil er ihr den Zweck seiner Reise erst verraten wollte, wenn er das Ergebnis wußte. Er wollte sie nicht in falschen Hoffnungen wiegen, die dann am Ende enttäuscht wurden.
„Warum erzählst du mir das erst jetzt?“ In ihrer Stimme schwang ein eigenartiger Unterton mit, den Stephen nicht verstand.
„Ich hatte mich ganz auf den Empfang für Hiram Flynt konzentriert.“
„Wann kommst du zurück?“
Stephen wußte nicht, wie lange die Verhandlung dauern würde. „Das steht noch nicht fest. Ich denke aber, daß es nur ein paar Tage dauern wird.“
„Weshalb willst du nach London?“
„Wichtige Geschäfte.“ Er hoffte, sie würde nicht fragen, wel- cher Art Geschäfte das waren, aber natürlich tat sie es doch. Ausweichend antwortete er: „Es ist wirklich zu kompliziert, dir das zu erklären, wenn ich so müde bin wie jetzt.“
„Aha, ich verstehe.“
Ihr spitzer Ton gefiel ihm gar nicht. Es überraschte ihn al- lerdings, daß sie nicht weiter in ihn drang, sondern nur bis zur Bettkante von ihm wegrückte und ihm den Rücken zukehrte.
Das gefiel ihm noch weniger.
Er rutschte zu ihr hinüber und versuchte, sie in die Arme zu nehmen, doch sie stieß ihn zurück. „Laß mich in Ruhe.“
Bestürzt und verständnislos fragte er: „Was ist eigentlich los?“
„Es ist zu kompliziert, dir das zu erklären, wenn du so müde bist wie jetzt“, äffte sie ihn nach.
Wieder versuchte er sie in die Arme zu nehmen, doch sie wehrte sich, bis er sie losließ. Sofort drehte sie ihm erneut den Rücken zu.
„Megan, ich verspreche, dir nach meiner Rückkehr aus Lon- don alles zu berichten.“ Eigentlich hatte er ihr im Falle eines negativen Ausgangs nichts von der ganzen Angelegenheit erzäh- len wollen, doch jetzt würde er es tun müssen. Hoffentlich ging die Sache gut.
„Erzähl es mir jetzt.“
„Nicht heute abend.“ Er fuhr ihr liebkosend über den Arm und spürte, wie sie sich versteifte.
„Rühr mich nicht an.“
„Liebling, bitte laß mich dich halten, solange ich es noch kann. Morgen bin ich doch schon fort.“
Plötzlich verflog ihre Starre. Sie drehte sich um und schmiegte sich in seine Arme. „Ja, solange du noch kannst“, flüsterte sie. Sie umarmte ihn mit solcher Heftigkeit, als wäre dies die letzte gemeinsame Nacht ihres Lebens.
Es freute Stephen, daß die Aussicht auf eine Trennung, wenn auch nur für ein paar Tage, sie ebenso
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